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Verordnung von Kreon ohne eindeutige Muko-Diagnose

Frage
Liebes Expertenteam, mein Sohn (2,5 Monate) liegt seit der Geburt im Krankenhaus. Er hatte einen durchlässigen Dünndarm und wurde aus diesem Grund schon in der 32 SSW geholt. Seit Geburt wird uns von den Ärzten gesagt, dass unser Kind Muko haben könnte, jedoch wurden bisher leider keine Tests (weder Schweißtest noch Genetiktests) durchgeführt und demzufolge auch keine eindeutige Bestätigung gegeben werden.
Seit heute bekommt unser Kind Kreon verabreicht (8x1Messlöffel tägl.), was laut Packungsbeilage nur Muko-Patienten verabreicht wird, da er seit der letzten Darm-OP einen extremen Blähbauch hat.
Nun zu meiner Frage: kann dieses Medikament auch Schaden anrichten, wenn er gar keine Mukoviszidose hat. Ich empfinde es nämlich nicht für richtig, ohne eindeutige Diagnose, ein solches Medikament zu verabreichen.
Antwort
Hallo,

Sie berichten, dass Ihr Kind wegen eines "durchlässigen" Dünndarmes( ich vermute, dass Sie eine Darmperforation oder einen Darmverschluss - vielleicht Meconiumileus - meinen) vorzeitig in der 32. Schwangerschaftswoche entbunden wurde. Die Ärzte hätten Ihnen gesagt, dass Ihr Kind an Mukoviszidose leiden könnte. Weiterhin berichten Sie , dass Ihr Kind jetzt täglich 8 x 1 Messlöffel Kreon verabreicht bekomme, da er seit der letzten Bauchoperation einen sehr geblähten Leib habe.

Sie berichten weiterhin, dass bisher keine definitive Diagnose gestellt sei, da weder ein Schweißtest , noch eine Genanalyse durchgeführt wurde. Sie machen sich Sorgen , ob die Behandlung mit Kreon Ihrem Kind schaden könne, wenn es eventuell kein Mukoviszidose hat.

Da Ihr Kind in der 32. Schwangerschaftswoche frühzeitig entbunden wurde und anschließend noch operative Eingriffe am Darm notwendig wurden, liegt das aktuelle Gewicht Ihres Kindes eventuell noch unter oder gerade um 3 Kg. Möglicherweise wurde wegen der Frühgeburtlichkeit ( Ihr Kind ist rein rechnerisch erst 2 Wochen alt ) und wegen des niedrigen Körpergewichtes noch kein Schweißtest durchgeführt. Eine genetische Untersuchung führt man in der Regel dann durch, wenn auf anderem Wege die Diagnose der Mukoviszidose nicht gesichert werden kann oder um eine genetische Beratung einer Familie durch zu führen. Die Gen-Analyse dauert dann in der Regel auch 3 - 4 Wochen. Es ist natürlich im Moment für Sie eine sehr große Belastung. Einerseits machen Sie sich Sorgen um Ihr kleines Kind, das gleich nach der Geburt operiert wurde. Andererseits wurde der Verdacht auf eine schwerwiegende Erkrankung ausgesprochen, ohne dass Ihnen Gewissheit im Hinblick auf den Verdacht der Mukoviszidose gegeben werden kann.

Sie sollten mit den behandelnden Ärzten besprechen für, welchen Zeitraum der Schweißtest geplant ist. Hierbei stellt sich die Frage, ob Ihr Kind in einer Kinderchirurgie oder einer Kinderklinik liegt, denn nur die Kinderkliniker können den Schweißtest durchführen.

Die Frage, ob Ihr Kind Kreon benötigt oder nicht , lässt sich aber unabhängig vom dem Schweißtest klären. Bitten Sie die behandelnden Ärzte darum, bei Ihrem Kind eine Stuhluntersuchung auf Elastase-I durch zu führen. Nur wenn dieser Test anzeigt, dass eine Bauchspeicheldrüsenunterfunktion vorliegt, ist auch eine Kreon-Behandlung gerechtfertigt.

Zur Dosierung von Kreon ist zu sagen, dass bei einer Flaschenmilchernährung ca. 500 bis 1000 Einheiten Lipase pro Gramm Nahrungsfett zur effektiven Behandlung notwendig sind. Allgemein wird eine Obergrenze der Dosierung mit 10.000 Einheiten Lipase pro Kg Körpergewicht und Tag genannt. Nach Ihren Angaben erhält Ihr Kind 8 x 1 Messlöffel Kreon. Das entspricht 8 x 5.000 Einheiten Lipase = 40.000 Einheiten.
Da ich vermute, dass Ihr Kind keine 4 Kg wiegt, sollte die Dosis ein Wenig reduziert werden. Insgesamt kann man sagen, dass Kreon ( somit alle Bauchspeicheldrüsenenzyme ) ein gut verträgliches Medikament ist, so dass bei unnötiger Gabe über einen begrenzten Zeitraum nicht mit Nebenwirkungen gerechnet werden muss.

Fragen Sie ganz allgemein Ihre Ärzte, ob sie denn schon mit einem Mukoviszidose-Zentrum Kontakt wegen Ihres Kindes aufgenommen haben.
Ich hoffe wir konnten Ihnen ein wenig in dieser schwierigen Situation helfen und wünschen Ihnen und besonders Ihrem Kind viel Glück in diesen schwierigen Tagen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. H.-G. Posselt

18.11.2010
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. H.-G. Posselt
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24.01.2011:
"Bezüglich der Indikation der Durchführung eines Gentestes im Rahmen der Diagnosestellung Mukoviszidose sei angemerkt, dass aktuell neue Medikamente in klinischen Phasen der Testung sind (wie z.B. PTC124), die auf die Korrektur der zugrunde liegenden CFTR-Mutation abzielen. Um herauszufinden, ob ein Patient von solchen Medikamenten profitieren könnte, muss die zugrunde liegende Mutation bekannt sein. Dies ist whs. ein zusätzlicher Grund, warum einige der neuesten Richtlinien die Routine-Durchführung eines Gen-Tests (bei Kind und Eltern) empfehlen, auch wenn solch ein Test für die Diagnosestellung nicht notwendig ist, wenn die Klinik und der Schweißtest positiv sind."
Dr. D. d'Alquen