Bitte beachten Sie: Manche Informationen sind nach einem Jahr noch aktuell, andere schon nach drei Monaten veraltet. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie gern nachfragen.

Mutationen p.G542X p.R1162X Verlauf

Frage
Unsere Tochter ist 2 Jahre alt. Diagnose mit 8 Wochen wegen erhöhtem Trypsin (Neugeborenen-Screening). Sie war bisher immer gesund. :-)

Lunge: Abstriche immer in Ordnung, kein Husten, keine Verschleimung.
Pankreasenzyme: ca. 100-150 mg Kreon f. Kinder am Tag

Paßt der milde Verlauf zu ihrem Genotyp?
Kann man ihrer Meinung nach jetzt schon sagen, daß sich die Erkrankung im Falle unserer Tochter mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nur auf die Bauchspeicheldrüse beschränken wird? Wenn nicht - ab welchem Alter kann man hierzu eine Einschätzung abgeben?
Freundliche Grüsse und herzlichen Dank im voraus.
Antwort
Liebe(r) Fragende(r),

ich nehme die kurzen Antworten auf Ihre Fragen vorweg:

1. milder Verlauf aufgrund G542X/R1162X – gut möglich 2. Vorhersage der Beschränkung auf Bauchspeicheldrüse: keinesfalls – 3. Prognose aufgrund des CFTR-Mutationsgenotypes: nach dem Stand der Forschung nicht möglich

Die ausführlichen Begründungen dazu:

Grundsätzlich ist die Mukoviszidose eine Multiorgankrankheit – das bedeutet, dass Sie alle Organe betrifft, die das bei CF defekte Gen CFTR ausbilden (also Verdauungstrakt und Atemwege). Es ist zwar richtig, dass es in Abhängigkeit von den geerbten Mutationen möglich ist, auf den durchschnittlichen Verlauf der Erkrankung in einer Patientengruppe mit den gleichen CFTR-Mutationen Rückschlüsse zu ziehen, aber die Aussagekraft für den individuellen Verlauf eines einzelnen Patienten (hier also: Ihre Tochter) ist dabei nicht gegeben. In einer aktuellen Stellungnahme eines international zusammengesetzten CF-Expertengremiums heisst es dazu wörtlich „…Weitgefasste Zusammenhänge zwischen Mutationsgenotyp und Ausprägung der Erkrankung sind nützlich für die epidemiologische Forschung, aber der CFTR-Genotyp sagt den Verlauf der Erkrankung bei einzelnen Individuen nicht voraus. Die Verwendung des CFTR Genotyps zur Vorhersage der Prognose bei CF-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose wird daher nicht empfohlen. ….“ (der Vollständigkeit halber die Quelle dazu: Journal of Cystic Fibrosis 7(3):179-196; 2008). Ursache für diese fehlende Vorhersagekraft für den einzelnen Menschen sind alle Einflussfaktoren auf den Verlauf der Mukoviszidose, die neben dem CFTR-Mutationsgenotyp eine Rolle spielen (Umweltfaktoren, andere vererbte Eigenschaften, besonders wichtig: Arzt und therapeutisches Management der Erkankung) – nach der gegenwärtigen Einschätzung haben diese „nicht-CFTR-Faktoren“ für den Verlauf der Erkrankung einen größeren Stellenwert als der reine CFTR-Mutationsgenotyp (daher Antwort zu 3. Prognose aufgrund des CFTR-Mutationsgenotypes: nach dem Stand der Forschung nicht möglich).
Ich bedauere sehr, dass ich Ihnen aufgrund der Mutationen G542X/R1162X keine beruhigende Prognose über die Zukunft Ihrer Tochter liefern kann – keine Verlaufswahrscheinlichkeiten, auch nicht mit zunehmendem Alter der Patientin. Ich vermute, dass Sie die Information bekommen haben, R1162X würde zu einem milden Verlauf der Atemwegserkrankung führen. Das mag bis auf die Arbeiten von Herrn Pignatti aus Italien aus dem Jahre 1992 (also vor nun bereits 17 Jahren) zurückgehen, der neun Patienten beschrieben hat, die auf beiden Chromosomen R1162X tragen (also R1162X/R1162X als Mutationsgenotyp). Herr Pignatti schätzt für diese Gruppe aus neun Patienten die Atemwegserkrankung „mild bis moderat“ ein (daher Antwort zu 2. Vorhersage der Beschränkung auf Bauchspeicheldrüse: keinesfalls, „mild bis moderat“ heisst leider ebenfalls mukoviszidosekrank). Damit ist Ihre Frage „Passt der milde Verlauf zu ihrem Genotyp?“ zumindest halb beantwortet – die beschriebenen italienischen Patienten tragen die Mutation R1162X auf beiden Erbanlagen, ihre Tochter trägt R1162X auf einer Erbanlage (daher Antwort zu 1. milder Verlauf aufgrund G542X/R1162X: gut möglich, aber ich möchte hinzufügen: ein milder Verlauf ist bestimmt auch ein Erfolg Ihrer Bemühungen um das Wohlergehen Ihrer Tochter und der frühen Therapie der Erkrankung).

Mit den besten Grüßen,
Frauke Stanke
29.07.2009
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke