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Tätowierung mit MRSA

Frage
Hallo,

ich möchte mich nochmals tätowieren lassen.
Nun bin ich MRSA-besiedelt (Sputumbefund, andere Abstriche wurden nicht vorgenommen) , eine Eridikation soll nicht versucht werden.

Ich habe bereits mit meiner Ärztin über das Vorhaben gesprochen. Sie war denke ich nicht begeistert, äußerte sich aber dahingehend, dass für mich selbst kein höheres Entzündungs-Risiko bestünde als bei dem Vorgang üblich.
Das hat meine Zweifel dann beseitigt.

Meine Frage zielt in eine andere Richtung - in einem Tattooforum habe ich das Thema der Hygiene in Zusammenhang mit MRSA angesprochen. Viele reagierten entsetzt und lehnten es mit den haarsträubendsten Begründungen ab, mich auch nur in ihr Studio zu lassen.

Besteht für den Tätowierer oder seine Kunden tatsächlich eine Gefahr, von mir infiziert oder besiedelt zu werden? Meiner Meinung nach ist das bei ordnungsgemäßer steriler Arbeit und guter Hygienepraxis so gut wie auszuschließen. Was meinen Sie dazu?

Kann ich, wenn meine vorige Frage zu bejahen ist, guten Gewissens meine Besiedelung unerwähnt lassen, um unangemessen panische Reaktionen zu vermeiden?

Viele Grüße
Antwort
Liebe/r Fragesteller/in,

Ihre Frage richtet sich (1) nach dem Infektionsrisiko einer Tätowierung bei bekanntem MRSA-Trägertum und (2) nach der Offenbarungspflicht der MRSA-Besiedelung gegenüber dem Tattoo-Studio bezüglich des Übertragungsrisikos auf Dritte.

Eine Tätowierung stellt einen körperlichen Eingriff mit einer wenn auch minimalen Verletzung der Haut dar. Damit verbunden ist ein gewisses Infektionsrisiko. Dieses ist von verschiedenen Faktoren abhängig (z.B. Hygienebedingungen während und nach der Tätowierung, Wundheilung, individuelle Abwehrlage und Keimbesiedelung). Das durchschnittliche Infektionsrisiko ist bei Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln gering aber natürlich nicht völlig auszuschließen. Am Ende müssen Sie abwägen und es bleibt Ihre Entscheidung, ob Sie sich für eine Tätowierung entscheiden (schriftliche Einwilligung und Aufklärung über Risiken ist vorab erforderlich).

Als Hilfestellung für Ihre Entscheidung:

zu (1): S. aureus ist bekanntermaßen ein häufiger Infektionserreger insbesondere von Wundinfektionen. Ein MRSA ist ein Staphylococcus aureus mit besonderer Resistenz gegenüber sonst wirksamen Antibiotika (z. B. Oxacillin oder Cephalosporine). Bei einer MRSA-Infektion sind die therapeutischen Möglichkeiten daher deutlich einschränkt. Normal sensible S. aureus-Stämme (MSSA) kommen in der Bevölkerung relativ häufig als Besiedeler auf Haut- bzw. Schleimhäuten vor, ein MRSA dagegen nur sehr selten.

Ausgehend von einer Besiedelung können durch eine sog. ‚Schmierinfektion’ Wunden verunreinigt und infiziert werden. Eine Weitergabe eines S. aureus ist v. a. durch kontaminiertes Instrumentarium möglich. Auch der Tätowierer kann natürlich, wenn er S. aureus-Träger ist, durch unvorschriftsmäßiges Arbeiten diesen an seine Kunden direkt oder indirekt weitergeben. Ist der Kunde Keimträger, ist eine Verschleppung des Erregers in die „Tätowier-Wunde“ natürlich ebenfalls denkbar. Da der Keimträger-Status normalerweise unbekannt ist, sollten, um Infektionen zu vermeiden, grundsätzliche Hygiene-Regeln beachtet werden.

Unter S. aureus-Stämmen gibt es sehr selten Varianten mit der Fähigkeit (‚Virulenz’) schwerere Wundinfektionen auszulösen. Hierzu gehören u.a. die sog. CA-MRSA („community acquired“-MRSA), die sowohl besonders resistent als auch besonders virulent sind. In den USA sind gehäuft Infektionen mit CA-MRSA im Zusammenhang mit Tätowierungen beschrieben [1]. Einem CA-MRSA Träger ist daher von einer Tätowierung abzuraten. CA-MRSA sind auch in Deutschland beschrieben, aber bisher sehr selten, weswegen das Vorliegen eines CA-MRSA in Ihrem Falle eher unwahrscheinlich ist. Patienten mit Wundheilungsstörungen (z.B. Diabetes mellitus) ist z.B. auch von einer Tätowierung abzuraten. Besondere Risiken sollten Sie ggf. mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.

Fazit: Während der Tätowierung lassen sich Infektionen durch die Einhaltung einer entsprechenden Hygiene (Handschuhe, Instrumenten-, Haut- und Flächendesinfektion etc.) weitgehend verhindern. Das Übertragungsrisiko ist bei MRSA grundsätzlich nicht höher als bei MSSA. MSSA dürften aus epidemiologischer Sicht sogar häufiger i.d.R. unbekannterweise bei Tätowierer oder Kunde z.B. auf der Nasenschleimhaut vorkommen. Eine besondere Häufung von S. aureus-Infektionen im Rahmen von Tätowierungen ist mit Ausnahme der CA-MRSA nicht dokumentiert. Das Risiko einer Infektion ist demnach bei Einhaltung aller Hygieneregeln kalkulierbar gering, aber nicht auszuschließen.

Bei CF (höhere Erregerdichte, Husten) kann das relative Übertragungsrisiko durchaus höher sein als bei „gesunden“ MRSA-Keimträgern. Bei zusätzlicher Besiedelung der Haut ist das Risiko einer Kontamination der „Tätowier-Wunde“ höher einzuschätzen als bei alleiniger MRSA-Besiedelung im oberen Respirationstrakt. Auch nach stattgefundener Tätowierung bleibt ein Infektionsrisiko bestehen, zumindest solange bis die Wunde komplett verheilt ist. Deswegen ist auch nach der Tätowierung konsequent auf eine entsprechende (Hände-) hygiene zu achten. Ich bin wie Ihre Ärztin ebenfalls „nicht begeistert“ und würde daher lieber, jedoch nicht grundsätzlich abraten (siehe zusätzlichen Kommentar unten).

zu (2): Hinsichtlich des Infektionsrisikos für Kunden spielt also das Hygienemanagement im Tattoo-Studio die zentrale Rolle. Auf der Grundlage des 2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes und den abgeleiteten Infektions-Hygieneverordnungen der jeweiligen Bundesländer sind in Deutschland Tattoo-Studios zur sorgfältigen Einhaltung und Beachtung von Hygienebestimmungen vepflichtet und unterliegen diesbezüglich sogar der Überwachung der Gesundheitsämter.

Eine gesetzlich verankerte Offenbarungspflicht eines MRSA-Trägertums in Zusammenhang mit Tätowierungen existiert in Deutschland nicht. Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht eine Meldepflicht nur für bestimmte MRSA Infektionen.

Ein Risiko der MRSA-Übertragung v.a. für den nachfolgenden Kunden ist nicht völlig auszuschließen. Dieses wäre in Ihrem Falle durch das Tragen eines Mundschutzes während der Tätowierung und eine konsequente Flächendesinfektion nach der Behandlung z.B. als letzter Kunde des Tages zusätzlich zu minimieren. Ähnliche Maßnahmen werden für das Management von MRSA-Trägern in medizinischen Einrichtungen empfohlen. Ein Tattoo-Studio stellt letztlich ebenfalls eine Art „Behandlungseinrichtung“ dar, weswegen ich einen verschärften Hygienestandard durchaus für sinnvoll erachten würde.

Wissenswert ist ggf. noch, dass es in Deutschland eine gesetzlich verankerte Leistungseinschränkung bei den Krankenkassen gibt (bundesrecht.juris.de): Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, z.B. eine Tätowierung zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern (SGB §8). Ebenso sind Aufwendungen für solche Nach-Behandlungen nicht Beihilfefähig (BBhV §52).

[1] Methicillin-resistant Staphylococcus aureus skin infections among tattoo recipients - Ohio, Kentucky, and Vermont, 2004-2005. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2006 Jun 23;55(24):677-9.

Mit freundlichen Grüßen
M. Hogardt
20.05.2010
Die Antwort wurde erstellt von: PD Dr. med. Michael Hogardt