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Ergänzende Inhalation von Bicarbonat und Thiocyanat zur normalen Kochsalzinhalation

Frage
Sehr geehrte Damen und Herren,

unser kleiner Sohn ist 18 Monate und wurde mit 6 Wochen als CF Kind diagnostiziert.
Natürlich machen wir uns als Eltern stets Gedanken wie wir die Therapie unseres Kindes
weiterentwickeln bzw. verbessern können. Als Mitarbeiter an einer Universität habe ich zudem
online zugriff auf viele wissenschaftliche medizinische Datenbanken und Journals.
Ich muß zugeben, ich stöbere ziemlich oft darin...

Desöfteren ist zu lesen, dass der CFTR neben Cl-Ionen auch noch Bicarbonat
und Thiocyanat (und seit kurzem: Hyalurosäure) "gatet". Die Auswirkungen hiervon
durch einen defekten CFTR werden diskutiert.

So soll die Abwesenheit von Bicarbonat die Auffaltung der Mucine in der Lunge erschweren
sowie die Abwesenheit von Thiocynat das Abwehrsystem der Lunge schwächen, da Hypothiocyanat als "mildes"
Oxidans nicht mehr gebildet werden kann.

Ich frage mich nun seit geraumer Zeit, warum man die tägliche Inhalation mit iso- bzw. hypertoner
Kochsalzlösung nicht um diese Salze ergänzt, um einen Therapieeffekt zu erzielen?

Schließlich handelt es sich bei der normalen Kochsalz-Inhalation doch auch "nur" um die
Ergänzung von etwas fehlendem. Die GSH-Inhalation würde für mich auch in Richtung dieses Denkansatzes zielen...

Gibt es schon Bestrebungen in diese Richtung bzw. sind welche geplant?

Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Viele Grüße,

M. Reindl
Antwort
Liebe Familie Reindl,

Ihre Fragen sind richtig und um so schwerer fällt es, diese einfach nur damit zu beantworten, dass bisher keine ausreichenden Studienergebnisse vorliegen. Ich würde es aber trotzdem gern in dieser Weise tun. Ich bin an einer CF-Ambulanz tätig, in deren Forschungsgruppe das Thema Rehydratation des Mukus und Verbesserung der muko-ziliären Clearance (soweit möglich) eine sehr große Rolle spielt.

Auch dass Sie sich gerade in der Zeit, in der ihr Kind noch so jung ist, Gedanken machen, ist absolut richtig. Auch wir verfolgen hier Therapieansätze, die präventiv eingesetzt den größten Effekt erzielen. Trotzdem muss ich Sie vertrösten, denn jede dieser Komponenten muss und sollte erst ausreichend geprüft werden und dass sind sie bisher nicht. Auch wenn es theoretisch noch so logisch erscheint, vieles bestätigt sich dann doch nicht oder wird in vivo durch andere physiologische und pathophysiologische Effekte überdeckt oder gar aufgehoben. Von daher sollte man warten, bis die Gruppe um P.M. Quinton bezüglich einer Bikarbonat-Inhalation (?) erste Daten liefert, die zeigen, dass die Theorie stimmt. Da ich mich selbst vor einigen Jahren mit dem Oxidanzien und Antioxidanzien auseinandergesetzt habe, weiß ich, dass man hier immer das gesamte "antioxidative Netzwerk" betrachten sollte. Das Zuführen einer einzelnen Substanz als Heilsbringer hat bei anderen Erkrankungen mit einem Mangel an Antioxidanzien meist nicht den erhofften Effekt erbracht, da die antioxidative Kapazität einer einzelnen Substanz meist von anderen Antioxidanzien (enzymatisch/nicht-enzymatisch) mit abhängt. Es gibt einige Antioxidanzien, die nach ihrer Reaktion oxidativ wirken können, wenn sie nicht schnell genug recycelt werden.

Inwieweit das bei den von Ihnen angesprochenen Substanzen so ist, entzieht sich momentan meiner Kenntnis und wahrscheinlich auch der Kenntnis vieler anderer CF-Behandler. Um so mehr sind Studien dringend nötig, in denen die Wirkungen und Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen geprüft werden müssen. Leider mag man den Ruf nach Geduld nicht hören, insbesondere dann, wenn einem selbst die Zeit wegläuft. Aber ich kann nur trotzdem darum bitten! Mein schwierigstes Erlebnis als jemand, der sich jahrelang mit Karotinoiden auseinandergesetzt hat war die CARET-Studie, in der man Raucher mit beta-Karotin und Vitamin A behandelte, weil man der Ansicht war, dass man genug Evidenz für dessen positive Wirkung gesammelt hatte und das war zu diesem Zeitpunkt auch wirklich so. 1996 kam dann das AUS für die Studie, weil man in der Verum-Gruppe mehr Tote zu verzeichnen hatte als in der Placebo-Gruppe und auch sonst gab es keine positiven Wirkungen im Vergleich zugunsten der Verumgruppe. Auch hier zeigte sich, dass ein Vitamin bzw. Karotinoid (bis dato immer als Antioxidanz gesehen), hochdosiert in einen Organismus mit generell deplettiertem "antioxidativen System" verabreicht, sehr schnell negative Effekte hervorrufen kann. In diesem Fall oxidierten beide Substanzen schnell zu hoch reagiblen Peroxidationsprodukten, welche vor allem Enzyme und Proteinstrukturen schädigen können. Sicherlich muss dieses Resultat nicht unbedingt auf diese von Ihnen genannten Substanzen zutreffen, aber solche Resultate verbieten einfach eine ungeprüfte Anwendung. Andererseits muss bei der CF jeder Strohhalm ergriffen werden und es sollte keine vielversprechende Möglichkeit (um die handelt es sich ja) ungeprüft bleiben. Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort trotzdem etwas geholfen zu haben.

Mit allerbesten Grüßen
Olaf Sommerburg
27.10.2010
Die Antwort wurde erstellt von: PD Dr. Olaf Sommerburg