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Untypische Mukoviszidose?

Frage
Unsere Tochter ist 8 Jahre alt. Die Probleme begannen nach der Frühgeburt bereits im 1. Lebensjahr mit zahlreichen obstruktiven Bronchitiden und Lungenentzündungen. Ab dem 2. Lebensjahr Dauertherapie mit Budiair. Mit 5 Jahren endonasale beidseitige vordere Siebbein-OP u. Kieferhöhlenfensterung beidseits sowie Adenotomie. Seit diesem Zeitpunkt chronische Sinusitis, chronische Bronchitis, ständiger gelb/grüner Auswurf, Polyposis nasi und schlechtes Allgemeinbefinden. Weitere Untersuchungen ergaben: Nasales NO 480 ppb; Exhalatives NO 7,3 ppb (PCD zu 60 % ausgeschlossen); Bronchoskopie ergab Streifenatelektase im Segment 8/9 sowie broncholitische Veränderungen im linken Unterlappen, Haemophilus influenzae Typ B nachgewiesen. Seit dem 2. Lebensjahr bis heute wurden ca. 15 Versuche unternommen einen Schweißtest durchzuführen. Diese waren jedoch alle aufgrund zu geringer Schweißmengen nicht beurteilbar. Aktuelle Therapie: Nasonex NS, Zithromax, Viani 125, Cornet, Trampolin, Nasendusche. Absetzversuch bzgl. Zithromax nach 1 1/4 Jahren gescheitert und nach 5 Monaten wieder angesetzt. Genetisch bisher kein Hinweis für CF. Pankreaselastase normal.

Unsere Tochter und auch wir leiden immer mehr darunter, dass die Krankheit "keinen Namen hat" und wir uns nicht mit den Ursachen und einem vorhersehbaren Verlauf auseinandersetzen können. Wir haben immer mehr das Gefühl durch "ein Raster" zu fallen. Uns beschäftigt am allermeisten die Frage, ob unsere Tochter nicht einfach Opfer der prozentualen Wahrscheinlichkeiten bzw. Ausschlüsse ist (PCD zu 60% ausgeschlossen; kein genetischer Hinweis auf CF, aber es werden ja auch nur die häufigsten Veränderungen untersucht, etc.). Wir haben Angst, dass aufgrund der fehlenden Diagnose wichtige Dinge zur Erhaltung des aktuellen Zustandes unterbleiben. Gibt es auch die Diagnose untypische Mukoviszidose oder können wir wirklich davon ausgehen, dass unsere Tochter nicht an Mukoviszidose erkrankt ist?

Vielen Dank!
Antwort
Guten Tag,

die Probleme Ihrer Tochter betreffen ja das gesamte Atemsystem, von der Nase bis in die tiefen Atemwege und Lunge. Eine PCD wurde bedacht (primäre Ziliendyskinesie), das ist eine angeborene Störung der Selbstreinigung der Atemwege, in der Regel durch Strukturanomalien der Flimmerhärchen. Beim Gesunden transportieren die Zilien Sekret von der Lungenbasis zum Rachen hoch – sowie aus der Nase hinter der Nasenspitze und aus den Nasennebenhöhlen nach hinten und unten – ebenfalls zum Rachen. Das nicht erheblich erniedrigte nasale NO (Stickstoff Gasmessung in der Ausatemluft) spricht dagegen; außerdem treten hier typischerweise zusätzlich Ohrprobleme mit Belüftungsstörung, Mittelohrentzündungen und in häufig Hörstörungen auf. Außerdem weist die Hälfte der Patienten eine Rotationsanomalie auf, d.h. dass das Herz oder/und Bauchorgane auf der „falschen“ Seite liegen. Ohrprobleme oder Rotationsanomalien schildern Sie ja nicht. Sonst würde ich die Zilienuntersuchung – z.B. in Münster empfehlen.
Schweisstests funktionierten nicht und die Genetik war unauffällig; trotzdem bestehen Atemwegsprobleme wie bei einer CF. Ihr Kinderarzt wird Ihnen sagen können, ob nur die häufigsten 33-36 Mutationen bestimmt wurden oder eine komplette Sequenzierung am Ort des CF-Transport Kanal Regulator Gens auf Chromosom 7 erfolgte, das die Erbinformation für die Ausbildung regelrechter Chloridkanäle notwendige Informationen trägt. Aktuell sind über 1800 verschiedene Mutationen in diesem Genort bekannt. Außerdem kann die Durchführung einer nasalen Potentialmessung oder Rectumschleimhaut-Potentialmessung sinnvoll sein, die z.B. in Heidelberg erfolgen kann.

Mit Ihrem Kinderarzt ist vermutlich geschaut worden, ob eine Allergie oder eine Abwehrschwäche besteht? Es gibt hier eine Reihe seltenerer Erkrankungen, die auch autoimmunologisch begründet sein können und zu einem ähnlichen Bild wie eine Mukoviszidose ohne Bauchbeteiligung führen.

Die oben geschilderten Therapiemaßnahmen der oberen und unteren Atemwege entsprechen den aktuellen Standards und können bei positivem Therapieeffekt als Dauertherapie eingesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jochen Mainz
09.11.2010
Die Antwort wurde erstellt von: PD Dr. Jochen G. Mainz