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F508del und 1717-1G [größer als] A im heterozygoten Zustand

Frage
Können Sie zum Verlauf der o.g. Mutation etwas sagen? Was bedeutet sie? Ich konnte über F508 in Verbindung mit 1717-1G>A keine Informationen finden.

Unser Sohn (6Jahre) hatte bei Geburt einen Darmverschluss. Später musste er Nasenpolypen entfernen. Er nimmt Creon (etwa 5 x 10 000 Kapseln/Tag). Seine Entwicklung ist sehr gut. Die Lungenfunktion ist gut (etwa 1 mal pro Jahr Husten mit Antibiotikabehandlung). Er hat die typischen runden Fingernägel.

Besten Dank für Ihre Antwort.
Antwort
Liebe(r) Fragende(r),

die Antwort auf Ihre Frage ist zweiteilig:
1. was bedeuten die Kürzel F508 (eigentlich F508del) und 1717-1G>A eigentlich und
2. welche Bedeutung hat diese Information für Ihren Sohn.

Die wichtige Information zuerst:
2. Welche Bedeutung hat die Information „F508del/1771-1G>A“ für Ihren Sohn:
Ihr Sohn hat eine typische Mukoviszidose und trägt einen der selteneren Mutationsgenotypen (zweimal F508del ist sehr viel häufiger) – mehr lässt sich nicht ableiten. Grundsätzlich ist die Mukoviszidose eine Multiorgankrankheit – das bedeutet, dass Sie alle Organe betrifft, die das bei CF defekte Gen CFTR ausbilden (also Verdauungstrakt und Atemwege). Es ist zwar richtig, dass es in Abhängigkeit von den geerbten Mutationen möglich ist, auf den durchschnittlichen Verlauf der Erkrankung in einer Patientengruppe mit den gleichen CFTR-Mutationen Rückschlüsse zu ziehen, aber die Aussagekraft für den individuellen Verlauf eines einzelnen Patienten (hier also: Ihren Sohn) ist dabei nicht gegeben. In einer aktuellen Stellungnahme eines international zusammengesetzten CF-Expertengremiums heisst es dazu wörtlich „…Weitgefasste Zusammenhänge zwischen Mutationsgenotyp und Ausprägung der Erkrankung sind nützlich für die epidemiologische Forschung, aber der CFTR-Genotyp sagt den Verlauf der Erkrankung bei einzelnen Individuen nicht voraus. Die Verwendung des CFTR Genotyps zur Vorhersage der Prognose bei CF-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose wird daher nicht empfohlen. ….“ (der Vollständigkeit halber die Quelle dazu: Journal of Cystic Fibrosis 7(3):179-196; 2008). Ursache für diese fehlende Vorhersagekraft für den einzelnen Menschen sind alle Einflussfaktoren auf den Verlauf der Mukoviszidose, die neben dem CFTR-Mutationsgenotyp eine Rolle spielen (Umweltfaktoren, andere vererbte Eigenschaften, besonders wichtig: Arzt und therapeutisches Management der Erkankung) – nach der gegenwärtigen Einschätzung haben diese „nicht-CFTR-Faktoren“ für den Verlauf der Erkrankung einen größeren Stellenwert als der reine CFTR-Mutationsgenotyp.
Ich freue mich daher, zu hören, dass es Ihrem Sohn sehr gut geht – das liegt allerdings nicht an dem Mutationsgenotyp „F508del/1717-1G>A. Wichtiger ist alles Andere: Zugang zu optimaler Therapie und sowie Lob und Unterstützung der Familie bei der Durchführung!

Nun noch zu den Kürzeln F508 (eigentlich F508del) und 1717-1G>A:
1. Mutationen im Mukoviszidose-auslösenden CFTR-Gen folgen einer Nomenklatur, die in der Tat nur nur für Molekularbiologen schlüssig nachvollziehbar ist: Die CF-Mutation F508del heisst so, weil an der Stelle Nummer 508 des CFTR-Eiweißes der Baustein „F“ (das F steht für die Aminosäure Phenylalanin) fehlt (also gelöscht, deletiert, kurz „del“) ist. Die Nummern beziehen sich dabei auf die Eiweissbausteine, von denen CFTR insgesamt 1480 hat. Das bei Ihrem Sohn fehlende „F“ an der Position 508 ist also im ersten Drittel des CFTR-Eiweißes zu finden. 1717-1 G>A ist ewas umständlicher zu übersetzten: Das eigentliche Eiweiß CFTR wird aus dem Botenmolekül „mRNA“ abgelesen, das mehr Informationen enthält, als zum Zusammenbasteln der eigentlichen Eiweißbausteine nötig ist. Diese Informationsfragmente sind gestückelt vorhanden, etwa so: InfofürEiweissCFTRNummer1-Zwischenstück-InfofürEiwessCFTRNummer2-Zwischenstück-InfofürEiweissCFTRNummer3-Zwischenstück-InfofürEiwessCFTRNummer4-Zwischenstück und so weiter. Für das CFTR-Eiweiß gibt es insgesamt 27 solcher Informationsfragmente. Um da etwas zu benennen, werden nicht mehr die Eiweißbausteine von 1 bis 1480 gezählt, sondern die Bausteine des Botenmoleküls „mRNA“ von 1 bis 4440. Bei der Mutation 1717-1G>A liegt der Fehler an der Position „erster-Botenstoff-Baustein-vor-InfofürEiweissCFTRNummer10“, also etwa auf halber Strecke im CFTR-Gen. Dort soll ein „G“ eingebaut sein (das G steht für den Botenstoff mRNA-Baustein Guanin), bei Ihrem Sohn steht dort stattdessen ein „A“ (das „A“ heisst vollständig Adenin). Dadurch wird der Start des Abschnittes „InfofürEiweissCFTRNummer10“ nicht mehr erkannt und der Rest vollständig falsch gelesen – kurzum: aus dem 1717-1G>A geht kein funktionierendes CFTR hervor. Das alles ist aber, wie oben schon geschrieben, nur von Forschungsinteresse: wichtiger als der CFTR-Mutationsgenotyp sind Zugang zu optimaler Therapie und sowie Lob und Unterstützung der Familie bei der Durchführung!

Beste Grüße und weiterhin alles Gute für Ihren Sohn,
Frauke Stanke
04.10.2011
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke
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Das System hat manchmal Schwierigkeiten, das Zeichen für "größer als" oder "kleiner als" abzubilden. Daher habe ich im Titel der Frage das Zeichen durch die Worte "[größer als]" ersetzt. A. Pfalz