Bitte beachten Sie: Manche Informationen sind nach einem Jahr noch aktuell, andere schon nach drei Monaten veraltet. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie gern nachfragen.

Hörverlust bei Tobi-Inhalationen

Frage
Sehr geehrtes Expertenteam,
ich (26 J., CF) hatte vor etwa einer Woche einen Hörsturz. Während der Behandlungsphase des Hörsturzes wurden auch mehrere Hörtests durchgeführt. Mein Hörsturz war reversibel, aber in dem Zusammenhang wurde festgestellt, dass ich unter einem Hörverlust im Hochtonbereich leide. Ich inhaliere seit vielen Jahren (vielleicht sogar seit Zulassung) einmal täglich mit Tobi, hatte jedoch erst eine IV-Therapie mit Tobramycin und Gentamicin (vor 6 Jahren). Durch meine Arbeit als Apothekerin kam ich gleich auf Tobi. Auch in der Fachinformation zu Tobi steht, dass die Inhalationen einen Hörverlust als Nebenwirkungen haben kann - am Anfang im Hochtonbereich. Es gibt kaum Informationen zu Hörverlust und Tobi-Inhalationen. Ich würde jedoch weder gerne mit der Zeit taub werden noch einen Pseudomonas bekommen. Ich will nun einen Tobispiegel nach einer Inhalation machen lassen. Wann ist der Spitzenspiegel erreicht und gibt es überhaupt einen Tobispiegel, der erwiesener Maßen bei täglicher Inhalation (!) eine Hörschädigung macht?
LG und vielen Dank für die Mühe.
Antwort
Sehr geehrte Fragerin,

Hörstörungen können im Alltag eine große Belastung darstellen. Ein Hörsturz ist ein plötzlicher Hörverlust, der in der Regel innerhalb 24 Stunden und meist einseitig auftritt, bei dem definitionsgemäß auslösende Faktoren nicht festzustellen sind. Er ist häufiger von Tinnitus und seltener auch von Schwindel begleitet. Er weist eine relativ hohe Spontanheilungsrate auf und die gängigen Therapiemaßnahmen sind in der Regel nicht abschließend wissenschaftlich gesichert.
Bei der Verlaufskontrolle nach einem Hörsturz fiel bei Ihnen eine Hochtonschwerhörigkeit auf und Sie befürchten Zusammenhänge mit einer pseudomonasgerichteten Antibiotikatherapie mit Tobramycin und oder Gentamycin.

Eine der Grundsäulen, die zur Verbesserung des Verlaufes mit Mukoviszidose beigetragen haben, ist die intensive Antibiotikanutzung. Sie verhindert bzw. vermindert die Lungenzerstörung durch Problemkeime wie Pseudomonas aeruginosa wesentlich.
Dabei kann eine Antibiotikatherapie unerwünschte Nebenwirkungen haben. Die Möglichkeit einer Schädigung des Hörorgans durch systemische Gabe der so genannten Aminoglykosid-Antibiotika (Tobramycin, Gentamycin) ist seit Einführung dieser Wirkstoffgruppe vor über 30 Jahren sehr gut bekannt. Das Risiko einer Schädigung der Hörfähigkeit hängt teils von der Dosis, der Applikationsform und der Länge der Therapie ab. Es gibt aber auch Faktoren der Empfindlichkeit einzelner Patienten, die wir nicht abschließend verstehen.
In Tübingen (Koitschev et al. HNO, 2005) wurden in einer Querschnittsstudie 108 CF Patienten einem Hörtest unterzogen. Innenohrschwerhörigkeit wurde bei 12% erfasst, typischerweise betrifft sie, wie bei Ihnen den Hochtonbereich, der für das Verstehen von Gesprochenem nicht erforderlich ist. Alle dieser Patienten waren mit systemischen intravenösen Aminoglykosiden (als Infusion) behandelt worden.

Gerade die inhalative Antibiotikatherapie hat den Vorteil, dass in der Regel keine kritischen Wirkspiegel im Blut und damit im Hörorgan erzielt werden, wohl aber die höchstmöglichen Antibiotikakonzentrationen im Sputum. Bei einer inhalativen Tobramycindosis von 2 x 300 mg/ Tag (TOBI oder Bramitob), kann es zu messbaren Aminoglykosid Blutspiegeln kommen, die als Spitzenspiegel in aller Regel gerade den Bereich der unkritischen Talspiegel erreichen und unter 2 mg/l liegen.
Aus früheren Studien zur Arzneimittelsicherheit und Wirksamkeit von Tobramycin wird von 148 CF-Patienten berichtet, die über 24 Wochen on/off mit TOBI inhalierten. Bei keinem dieser Patienten trat eine Hörschädigung auf. Es gibt inzwischen aber auch Berichte über Probleme am Hörorgan unter/nach Inhalationstherapie.
Wichtig ist die Dosisanpassung bei Inhalation mit neueren hocheffektiven Verneblern (iNeb, Akita) oder Vorsicht beim Verkippen der im eFlow verbleibenden Rest-Antibiotikamenge, so dass diese auch noch vernebelt wird. Sonst kann es zu Blutspiegeln kommen, die auch systemische Nebenwirkungen auslösen können. Auch bei einer Niereninsuffizienz kann der Abbau von Aminoglykosiden gestört sein, so dass der Wirkstoffspiegel im Blut ansteigt und Ohr sowie Nierenschädigungen auftreten können.
Mit den genannten Inhalationsmethoden oder bei Niereninsuffizienz ist daher eine Dosisanpassung wichtig.

Ihre Vorgeschichte mit nur einmaliger i.v.-Therapie mit Aminoglykosiden aber langzeitiger Inhalation des Antibiotikums und Entwicklung einer Hochtonschwerhörigkeit ist ungewöhnlich. Ein Zusammenhang der Antibiotikagabe mit Ihrem Hörsturz ist sehr unwahrscheinlich; einen Zusammenhang mit Ihrer Hochtonschwerhörigkeit ist nicht sicher auszuschließen.
Die Verhinderung einer lebensbegrenzenden Lungenzerstörung durch Problemkeime wird jedoch, gegenüber einer Belastung durch sehr selten in dieser Form auftretende Nebenwirkung weniger in die Waagschale fallen. Daher ist es wichtig, die oben genannten Vorsichtsmaßnahmen zu beachten aber nicht auf eine lebenswichtige Therapie zu verzichten.

Mit den besten Grüßen,
Jochen Mainz
25.01.2012
Die Antwort wurde erstellt von: PD Dr. Jochen G. Mainz