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Kombination zweier Mutationen

Frage
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich selber bin Trägerin der Mutation F508del, mein Mann ist Träger der 5-T-Variante im CFTR-Gen. Mein Bruder ist an Mukuviszidose erkrankt.
Unser Sohn ist vor zweieinhalb Jahren in der 36.SSW geboren. Außer, dass er aufgrund der Frühgeburt immer sehr klein und leicht ist zeigt er bisher keinerlei Anzeichen einer CF. AUs diesem Grund wurde uns immer von einer Diagnostik abgeraten. Uns wurde außerdem mitgeteilt, dass bei dieser Mutationskombination eine manifeste CF bei unserem Sohn sehr unwahrscheinlich wäre und die Mutation meines Mannes eine sehr milde Mutation sei.
Nun meine Frage:
Ist bei unserer Mutationskombination eine CF bei unserem Sohn wirklich unwahrscheinlich? Und was bedeutet "milde Mutation" bei meinem Mann?

Vielen Dank für Ihren Rat.
Antwort
Liebe Fragerin,

gerne beantworte ich beide Fragen – allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Damit bekommen Sie zunächst auf Frage 2 eine sehr lange Antwort, für die ich mich vorab entschuldige – aber die für Sie so wichtigen Konsequenzen der 5T-Variante lassen sich nicht in einem Satz zufriedenstellend beantworten.

Zu Frage 2: Was bedeutet „milde Mutation“ CFTR-5T?
Ich gehe davon aus, dass bei Ihrem Mann mit einem handelsüblichen Testkit nach Mutationen im CFTR-Gen gesucht wurde – dabei werden üblicherweise mehrere häufige Varianten des Gens abgefragt. Sie schreiben, Ihr Mann sei Träger der 5T-Variante, damit gehe ich davon aus, dass er auf einem der beiden Erbanlagen CFTR-5T trägt, und dass ansonsten nichts gefunden wurde.
Anwort 2A - Molekularbiologie der CFTR-5T-Variante:
Der Name „5T-Variante“ oder „CFTR-5T“ beschreibt aus der Sicht des Molekularbiologen folgendes:
Das eigentliche Eiweiß CFTR wird aus dem Botenmolekül „mRNA“ abgelesen, das mehr Informationen enthält, als zum Zusammenbasteln der eigentlichen Eiweißbausteine nötig ist. Diese Informationsfragmente sind gestückelt vorhanden, etwa so: InfofürEiweissCFTRNummer1-Zwischenstück-InfofürEiweissCFTRNummer2-und so weiter. Für das CFTR-Eiweiß gibt es insgesamt 27 solcher Informationsfragmente. In einem dieser Zwischenstücke gibt es eine Reihe an T-Bausteinen direkt hintereinander (T steht dabei für Thymidin), die bei Menschen 7T (also TTTTTTT) oder 5T (also TTTTT) lang sein kann. Die Anzahl der T-Bausteine bestimmt, wie gut die Zelle die Information des Botenmoleküls verarbeiten kann: je weniger T, desto weniger funktionsfähiges CFTR geht aus der Erbanlage hervor - das korrekte herausarbeiten der Zwischenstücke ist für die Zelle schwieriger, wenn dort weniger T stehen.
Antwort 2B – welche Symptome haben Träger der 5T-Variante?
Träger einer 5T-Variante bekommen keine Mukoviszidose, denn das 5T-CFTR erzeugt zusammen mit der anderen gesunden Erbanlage genug funktionsfähiges CFTR, dass die Krankheit Mukoviszidose verhindert wird. Hinter dem Begriff „5T sei eine milde Mutation“ stehen andere Symptome, wie z.B. die Veranlagung, weniger Spermien zu bilden, ohne dass weitere Gründe vorhanden wären, einen Arzt aufzusuchen. Desweiteren wird die CFTR-5T-Variante als Risikovariante für leichte Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege gesehen (also alles von störenden Nasalpolypen bis zu leicht eingeschränkter Lungenfunktion). Welche Symptome der Träger einer 5T-Variante entwickeln kann, hängt von weiteren Faktoren ab, die sich aus der Bezeichnung „CFTR-5T“ nicht ergeben.
Antwort 2C - 5T ist nicht 5T:
Direkt neben den oben erwähnten T-Bausteinen liegt ein weiteres sich widerholendes Motiv im Erbgut, der sogenannte TG-Repeat. Dabei handelt es sich um Wiederholungen der Bausteine T und G, also TGTGTGTG…. usw. Die TGs treten dabei 13mal, 12mal oder 11mal auf. Hier gilt für die Zelle: je länger dieser TG-Repeat ist, desto weniger funktionsfähiges CFTR wird durch diese Erbanlage gebildet. Nach der offiziellen Klassifikation der Europäischen CF-Gesellschaft wird daher zwischen den verschiedenen 5T-CFTR-Erbanlagen unterschieden: Der Konsensusreport aus dem Jahr 2008 (J Cyst Fibros. 2008 May ; 7(3): 179–196) ordnet die Variante T5TG13 in die Reihe der Mutationen ein, die milde Symptome in mehreren Organsystemen erzeugen können, dagegen wird die CFTR-Variante T5TG12 mit atypischen Krankheitsbildern in Verbindung gebracht. T5TG11 dagegen hat keine klinischen Konsequenzen. Solange der Mensch eine zweite, gesunde Erbanlage trägt ist diese Einordnung nur von akademischem Interesse: F508del zeigt deutlich mehr Funktionseinschränkungen als die schlechteste T5-Variante T5TG13. Dennoch sind Träger der Mutation F508del nicht krank, wie Sie selbst genau wissen.
Zusammenfassung zu Frage 2:
CFTR-5T bildet weniger funktionsfähiges CFTR Eiweiß als die normale CFTR-Erbanlage. Diese CFTR-Variante erzeugt keine klassische Mukoviszidose. Ob der Träger der 5T-Variante durch klinische Symptome in einer Andrologischen Praxis oder einer Pulmonologischen Praxis auffällt, hängt von weiteren Faktoren wie dem TG-Repeat ab und kann nicht vorhergesagt werden.

Nun zu Frage 1: Ist bei der Kombination elterlicher Erbanlagen CFTR-5T und CFTR-wildtyp(=gesund) (das ist der Genotyp Ihres Mannes) sowie CFTR-F508del und CFTR-wildtyp(=gesund) (das ist Ihr Genotyp) ein „manifeste CF“ bei Ihrem Sohn unwahrscheinlich?
Wenn Ihr Sohn NUR CFTR-F508del von Ihnen geerbt hat, ist er so kerngesund wie sie selbst auch – hat er NUR CFTR-5T von Ihrem Mann geerbt, ist er so kerngesund wie Ihr Mann. Falls aber Ihr Sohn SOWOHL CFTR-5T ALS AUCH CFTR-F508del geerbt hat, können Symptome auftreten – nicht aber eine klassische Mukoviszidose. Ich gebe ihrem Kinderarzt also recht, der sagt, dass bei dieser Kombination eine „eine manifeste CF bei sehr unwahrscheinlich“ ist. Aber: die sogenannten milden, atypischen Verläufe dagegen zeigen sich häufig erst im Erwachsenenalter – vielleicht mit über 30 oder gar über 40 Jahren Lebensalter. Ansprechpartner für Sie oder später einmal für Ihren Sohn sind daher spezialisierte Fachärzte (Humangenetiker, Mukoviszidosezentrum).

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Frauke Stanke
23.01.2012
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke