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Mutationsspezifische Behandlungsmöglichkeiten

Frage
Liebes Experten-Team,

bei meinem Sohn (4 Jahre) liegt eine Heterozytogie für IVS8-2A>C (intron 8) und F508del (Exon 10) vor.
Bisher hatte er laut Cf-Ambulanz einen milden Verlauf und befindet sich in einem sehr guten Zustand.
Welche Therapieformen (mutationsspezifisch etc.) kommen für diese sehr seltene Heterozytogie denn in Betracht?
In erster Linie wird wohl eher bei häufig vorkommenden Mutationen geforscht?

Herzlichen Dank für ihre Antwort!


Antwort
Guten Tag,

Ihr Sohn besitzt somit eine häufige (c.1521_1523delCTT = p.Phe508del = F508del) und eine sehr seltene (c.1210-2A>C = 1342-2A>C = IVS8-2A>C) Mutation. Zunächst einmal muss man sagen, dass die verschiedenen Nomenklaturen sehr verwirrend sind.
Es ist bekannt, dass sich die über 1800 Mutationen in verschiedene Klassen zuordnen lassen. Diese Klassen geben Auskunft über die Funktion des Chloridkanales (CFTR), welcher bei der Mukoviszidose defekt ist.

So sind Klasse I (Protein wird nicht gebildet), Klasse II (Protein ist falsch gefaltet), Klasse III (defekte Steuerung), Klasse IV (enger Kanal), Klasse V (zu wenig Kanäle) und Klasse VI (zu schneller Abbau) Mutationen mit unterschiedlicher Chloridkanalaktivität und Krankheitsschwere vergesellschaftet.
Es ist besonders wichtig zu erwähnen, dass CFTR-Mutationen oft vielfältige Merkmale besitzen und somit mehr als einer Mutationskategorie zugeordnet werden können. Dennoch ist es weiterhin nicht möglich eine genaue Prognose aufgrund der Mutation zu erstellen. Hier spielen offensichtlich andere Gene (modifying genes), Umwelt und mathematisch formuliert „Stochastik“ eine große Rolle.

Nun zu Ihrer Frage. Natürlich wird besonders viel Wert auf die Erforschung neuer Medikamente zur Therapie der häufigen Mutationen gelegt. So ist eine Mutation Ihres Sohnes, F508del, im Zentrum aktueller Forschung. Die Mutation ist aufgrund ihrer Klasse ein möglicher Angriffspunkt für neue Medikamente, sogenannte Korrektoren, die helfen, dass der Chloridkanal in die Zellmembran eingebaut wird.
Neue Medikamente bzw. Wirkstoffe, wie VX-809 oder VX-661 sind Gegenstand aktueller Forschung. Eine Zulassung in den USA gibt es bereits für ein Medikament, das in die Gruppe der Potentiatoren fällt, also die Funktion des bereits in der Zellmembran eingebauten Kanales positiv beeinflusst. Dieses Medikament (VX-770 oder Ivacaftor (Wirkstoffname) oder Kalydeco® (Handelsname)) zeigte neben Normalisierung des Schweisstestes, Verbesserung der Lungenfunktion, auch eine Zunahme des Körpergewichtes.
Zugelassen ist es aber nur für eine sehr seltene (in Deutschland ca. 3 % der Patienten) Mutation (G551D). Somit kann ich Ihnen bestätigen, dass von der aktuellen Forschung ebenfalls Patienten mit sehr seltenen Mutationen profitieren. Die andere Mutation ihres Sohnes, IVS8-2A>C, auch wenn von der Arbeitsgruppe von Professor Tümmler aus Hannover beschrieben*1), kann ich leider keiner dieser Mutationsklassen zuordnen. Bekannt ist, dass es sich hier um eine schwere Spleissmutation handelt. Eine neue Entwicklung für diese an obligat konservierten Spleissstellen vorliegendenen Mutation im Hinblick auf mutationsspezifische Therapien ist mir nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Olaf Eickmeier

*1. Dork, T., Fislage, R., Rappen, U. & Tummler, B. Severe splice site mutation preceding exon 9 of the CFTR gene. Hum Mol Genet 2, 1313-1314 (1993).

26.04.2012
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Olaf Eickmeier