Bitte beachten Sie: Manche Informationen sind nach einem Jahr noch aktuell, andere schon nach drei Monaten veraltet. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie gern nachfragen.

Warum werden die Ataluren-Ergebnisse als enttäuschend bewertet?

Frage
Guten Tag,

ich habe zu der Phase-III-Studie von Ataluren sowohl die Pressemitteilung von PTC als auch den Bericht auf muko.info gelesen.

Die Bewertung, die Ergebnisse seien enttäuschend, kann ich so noch nicht nachvollziehen.

In der Gruppe von Patienten, die keine Antibiotika inhalierten, war die Abnahme der Lungenfunktion bei Ataluren-Gabe in einem Zeitraum von einem Jahr nur 0.2%, im Vergleich zu ca. 7% bei Placebo. Dies bedeutet doch, dass bei diesen Patienten die ansonsten graduelle Verschlechterung der Lungenfunktion zum Stillstand gekommen ist (zumindest für den Studienzeitraum). Unter der Voraussetzung, dass der Patient nicht auf die Dauerinhalation von Antibiotika angewiesen ist, kann dies doch bereits den Unterschied zwischen normaler Lebenserwartung und reduzierter Lebenserwartung ausmachen!

Können Sie mir beantworten, warum dennoch die Bewertung im Bericht von Frau Dr. Bend so deutlich negativ ausfällt? Ist Ihnen bekannt, welche nächsten Schritte bei der Ataluren-Entwicklung angegangen werden und inwieweit eine baldige Zulassung angestrebt wird?
Antwort
Sehr geehrte/r Frager/in,

von Frau Dr. Jutta Bend vom Mukoviszidose e.V. haben wir folgende Antwort erhalten, in der sie ausführlich auf die Grundfrage der Bewertung der Ergebnisse der Ataluren-Studie eingeht. Für individuelle Rückfragen hat Frau Dr. Bend ihre Emailadresse angegeben.

"Zu den aktuellen Studienergebnissen der Phase III Ataluren-Studie (s. Pressemitteilung von PTC Therapeutics vom 8.6.2012 und Forschungs-News auf www.muko.info)

Vielen Dank für die interessierten und guten Rückfragen zur Ataluren (=PTC124) Phase III Studie. Ich will versuchen, diese für Sie in den Zusammenhang einzuordnen. Dazu muss ich etwas ausholen und die hinter den Studien stehende Statistik etwas beleuchten.

Studienplanung: In den Ergebnissen der vorangegangenen Phase II Studie, hatte es einen „Trend“ zur Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1) durch Ataluren gegeben. Deshalb war die aktuelle Phase III Studie auch primär darauf ausgelegt, bei der Lungenfunktion (FEV1) einen „signifikanten Unterschied“ zu zeigen. Ergebnis: Die vorgestellten Studienergebnisse der Phase III Studie ergaben primär keinen „signifikanten Unterschied“ in der Lungenfunktion zwischen der Gruppe, die Ataluren genommen hat und der Placebogruppe. Immerhin wurde wieder ein positiver „Trend“ für Ataluren gesehen.

Wo ist der Unterschied zwischen „Trend“ und „signifikantem Unterschied“?
Bei einem signifikanten Unterschied geht der Statistiker davon aus, dass das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einfach zufällig entstanden ist. Deshalb ist die Signifikanz eines Studienergebnisses die Grundvoraussetzung für die Verlässlichkeit der ermittelten Daten. Ein Trend ist hier eine nicht-signifikante Grundtendenz. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von Ataluren wäre Mindest-Voraussetzung für die Zulassung als Medikament.

Der Hersteller PTC Therapeutics hat dann „Subgruppenanalysen“ vorgenommen und festgestellt, dass man zwischen Patienten, die chronisch Antibiotika (Aminoglykoside) inhalierten bzw. dies nicht taten einen „signifikanten Unterschied“ in der Änderung der Lungenfunktion finden konnte. Hier gibt es nun einen „signifikanten Unterschied“ – aber es handelt sich um eine Subgruppenanalyse und nicht um das primäre Ziel.

Hierbei zeigte nur die Subgruppe von Patienten, die nicht chronisch Antibiotika inhalierten, einen signifikant geringeren Abfall der Lungenfunktion unter Ataluren im Vergleich zu Plazebo. [Dieser Absatz wurde am 10.09.2012 ergänzt]

Was ist eine Subgruppenanalyse?
Man muss bedenken, dass Studien immer nur einen kleinen Einblick geben können: Es wird eine kleine Patientenzahl untersucht und die Studiendauer ist begrenzt. Damit man von dieser Situation allgemeingültige Informationen ableiten kann, wird für jede Studie vor Beginn die benötigte Fallzahl kalkuliert, d.h. man errechnet die Anzahl an Patienten, die notwendig ist, um einen erwarteten Effekt (hier also den Unterschied in der Lungenfunktion) zeigen zu können. Werden nachträglich in der Auswertung nur Teile der Patientengruppe für die Auswertung herangezogen (Subgruppenanalyse), ist die Fallzahl in den meisten Fällen nicht ausreichend, um einen aussagekräftigen Unterschied zeigen zu können. Es kann ein signifikantes Ergebnis zustande kommen, das aber „unterpowert“ ist, also aufgrund der geringen Fallzahl nicht aussagekräftig. Solche Subgruppenanalysen können also nur einen Hinweis liefern wie man zukünftige Studien planen kann, um den vermuteten Effekt aus der Subgruppenanalyse zu bestätigen.

Was ist klinische Relevanz?
Auch bedeutet ein signifikanter Unterschied noch nicht, dass der gezeigte Effekt auch eine klinische Relevanz für den Patienten hat; das wäre erst der nächste Schritt. Ob der relative Unterschied in der Lungenfunktion, also der Abfall der Lungenfunktion um 0,2% nach Ataluren im Vergleich zu einem Abfall der Lungenfunktion um 6,9% in der Placebogruppe (nach je 48 Wochen), für die Patienten auf Dauer eine spürbare Änderung bedeutet, weiß man nicht. Zum Vergleich: Bei dem gerade auf den Markt gekommenen Ivacaftor, das bei Patienten mit der seltenen G551D Mutation als Potentiator eingesetzt wird, hat man in Studien eine Steigerung der Lungenfunktion um ca. 10% gesehen (nach 24 bzw. 48 Wochen).

Gesamtergebnis: Die Phase III Studie hat also nur eine Tendenz für die Wirksamkeit von Ataluren gezeigt und in einer Subgruppenanalyse den Hinweis ergeben, dass man in weiteren Studien untersuchen müsste, ob Ataluren für bestimmte Patientengruppen effektiver ist. Phase III Studien sind außerdem Zulassungsstudien, also darauf angelegt, dass sie die Basisdaten für die Zulassung und damit die Marktreife liefern können. Insgesamt muss man also sagen, dass die Studienergebnissen nicht den Erwartungen entsprechen; denn die Ergebnisse reichen nicht für eine Zulassung des Medikamentes. Zumindest wird es noch weitere Studien mit Ataluren geben müssen, um einen signifikanten Therapieeffekt von Ataluren in einer ausreichenden Fallzahl zu zeigen. Solche Studien sind teuer und dauern lange. Deshalb ist eine Prognose über die Marktzulassung bei der aktuellen Datenlage m.E. nicht seriös abzugeben. Und auch der Hersteller hat zum weiteren Vorgehen bislang meines Wissens nichts mitgeteilt.

Bei aller Hoffnung, die wir immer wieder mit neuen Wirkstoffen verbinden, die in die klinische Entwicklung gehen, muss man auch bedenken, dass grundsätzlich nur ein ganz kleiner Teil der im Labor gefundenen Substanzen tatsächlich die Marktreife erreicht. Je weiter ein Medikament bereits entwickelt ist, umso wahrscheinlicher wird die Marktzulassung. Bei einem Medikament in der Phase III wie Ataluren ist die Wahrscheinlichkeit für eine Marktzulassung schon relativ hoch. Aber es gibt auch Beispiele für Medikamente, die sich auch in diesen späten Entwicklungsphasen noch als ineffektiv herausgestellt haben.

Wir als Patientenorganisation verfolgen die klinische Entwicklung von Medikamenten für Patienten mit CF, z.B. auch Ataluren, sehr engmaschig. Uns ist wichtig, die von verschiedenen Seiten und aus unterschiedlichsten Interessenslagen veröffentlichten Daten in objektiver Weise zu bewerten, weiterzugeben und einzuordnen. Wir werden in jedem Fall wie auch in der Vergangenheit (Forschungs-News) über das Fortschreiten der klinischen Entwicklung von Ataluren berichten und stehen gerne für Rückfragen zur Verfügung (gerne auch per email jbend@muko.info ).

Dr. Jutta Bend
--------------------------
Links:
Forschungs-News:
muko.info/forschung/news-detail-und-archiv/detailansicht/article/ataluren-erste-ergebnisse-der-phase-3-studie/17.html )

Pressemitteilung des Herstellers (PTC Therapeutics): ptct.client.shareholder.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=681445
"
22.08.2012
Die Antwort wurde erstellt von: Annette Pfalz