Bitte beachten Sie: Manche Informationen sind nach einem Jahr noch aktuell, andere schon nach drei Monaten veraltet. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie gern nachfragen.

Genetik IV S 8T5 homozygot

Frage
Mein Sohn Timo hat CF .
Sein Großvater wurde 83 Jahre alt und war homozygot mit IVS8T5 !
Hatte er damit CF?
Wie häufig kommt IVS8T5 in homozygoter Form vor?

Hzl.
I. E.-R. [Name war ausgeschrieben, wurde von ECORN-CF verkürzt]
Antwort
Liebe Frau E.-R, [Name war ausgeschrieben, wurde von ECORN-CF verkürzt]

besten Dank für Ihre Fragen, die ich gerne nacheinander beantworte.

A. Ich denke, der Grossvater ihres Sohnes hatte keine Mukoviszidose – das schließe ich aus Ihrer Angabe, dass er 83 Jahre alt geworden ist. Symptome einer Mukoviszidose zeigen sich üblicherweise viel früher und die Diagnose wird selbst bei seltenen milden Formen der Erkrankung meist in der vierten oder fünften Lebensdekade gestellt. Ich habe zwei dazu passende Fallbeispiele aus der Literatur nachgeschlagen: der erste Fall (Thorax 2005;60:974-975) beschreibt einen IVS85T homozygoten Patienten, bei dem die Ärzte im Alter von 54 die Diagnose stellen könnten, der Patient litt seit seiner Kindheit unter Atemwegsinfekten und hatte im Alter von 45 Jahren eine schwere Lungenentzündung. Ein zweiter Fall (AmJRespirCritCareMed 2000;162:1919-1924) beschreibt eine IVS85T homozygote Patientin, die im Alter von 48 Jahren diagnostiziert wurde – auch hier haben wiederholte Atemwegsinfekte seit frühster Kindheit zum Verdacht auf Mukoviszidose geführt. Das heißt also: Personen, die IVS8T5 homozygot sind, können Mukoviszidose haben (selten), eine atypische Verlaufsform zeigen, die auch als „CFTRopathie“ bezeichnet wird (etwas häufiger), oder auch klinisch unauffällig sein (das trifft für die meisten IVS8T5 Homozygoten zu). Grund dafür ist die große Variabilität der Variante IVS8T5, über deren Ursache sie gerne weiter unten die Details nachlesen können.

B. Die Häufigkeit für Homozygotie IVS8T5 in der Bevölkerung lässt sich abschätzen: nimmt man an, dass die Anlage IVS8T5 auf 5% – 10% der Erbanlagen vorkommt, ergibt sich eine Häufigkeit von 0,25% bis 1% für die Konstellation IVS8T5 homozygot, also mindestens eine von 400 Personen, maximal eine von 100 Personen.

Nun zur längeren Antwort – die Variante IVS8T5 ist leider nicht in einem Satz zu erklären:

1. Was heißt IVS8T5?

Der Name „IVS8T5“ beschreibt aus der Sicht des Molekularbiologen folgendes:
Das eigentliche Eiweiß CFTR wird aus dem Botenmolekül „mRNA“ abgelesen, das mehr Informationen enthält, als zum Zusammenbasteln der eigentlichen Eiweißbausteine nötig ist. Diese Informationsfragmente sind gestückelt vorhanden, etwa so: InfofürEiweissCFTRNummer1-Zwischenstück-InfofürEiweissCFTRNummer2-und so weiter. Für das CFTR-Eiweiß gibt es insgesamt 27 solcher Informationsfragmente. In einem dieser Zwischenstücke (genauer: im 8. Zwischenstück, daher IVS8) gibt es eine Reihe an T-Bausteinen direkt hintereinander (T steht dabei für Thymidin), die bei Menschen 7T (also TTTTTTT) oder 5T (also TTTTT) lang sein kann. Die Anzahl der T-Bausteine bestimmt, wie gut die Zelle die Information des Botenmoleküls verarbeiten kann: je weniger T, desto weniger funktionsfähiges CFTR geht aus der Erbanlage hervor - das korrekte herausarbeiten der Zwischenstücke ist für die Zelle schwieriger, wenn dort weniger T stehen.

2. Welche Symptome haben Träger der IVS8T5 -Variante?

IVS8T5 ist mit Symptomen verbunden, die isoliert einzelnen Organe betreffen (im Gegensatz zur Mukoviszidose, bei der viele Organe glecihzeitig betroffen sind).

Ein Beispiel dafür ist die Veranlagung, im Ejakulat keine Spermien zu haben, aufgrund eines angeborenen beidseitigen Fehlens/Verschlusses der ableitenden Samenwege, ohne dass weitere Gründe vorhanden wären, einen Arzt aufzusuchen.

Desweiteren wird die IVS8T5-Variante als Risikovariante für leichte Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege gesehen (also alles von störenden Nasalpolypen bis zu leicht eingeschränkter Lungenfunktion). Welche Symptome der Träger einer IVS8T5-Variante entwickeln kann, hängt von weiteren Faktoren ab, die sich aus der Bezeichnung „IVS8T5“ nicht ergeben.

3. IVS8T5 ist nicht IVS8T5:

Direkt neben den oben erwähnten T-Bausteinen liegt ein weiteres sich widerholendes Motiv im Erbgut, der sogenannte TG-Repeat. Dabei handelt es sich um Wiederholungen der Bausteine T und G, also TGTGTGTG…. usw. Die TGs treten dabei 13mal, 12mal oder 11mal auf. Hier gilt für die Zelle: je länger dieser TG-Repeat ist, desto weniger funktionsfähiges CFTR wird durch diese Erbanlage gebildet. Nach der offiziellen Klassifikation der Europäischen CF-Gesellschaft wird daher zwischen den verschiedenen 5T-CFTR-Erbanlagen unterschieden: Der Konsensusreport aus dem Jahr 2008 (J Cyst Fibros. 2008 May ; 7(3): 179–196) ordnet die Variante T5TG13 in die Reihe der Mutationen ein, die milde Symptome in mehreren Organsystemen erzeugen können, dagegen wird die CFTR-Variante T5TG12 mit atypischen Krankheitsbildern in Verbindung gebracht. T5TG11 dagegen hat keine klinischen Konsequenzen. Für das oben erwähnte Fallbeispiel der IVS8T5 homozygten Patientin, die erst im Alter von 48 Jahren diagnostiziert wurde, wurden auf beiden Erbanlagen T5TG12 gefunden.

Zusammenfassung:

CFTR-IVS8T5 bildet weniger funktionsfähiges CFTR Eiweiß als die normale CFTR-Erbanlage. Diese CFTR-Variante erzeugt keine klassische Mukoviszidose. Ob der Träger einer 5T-Variante oder der Homozygote für zwei IVS8T5-Erbanlagen durch klinische Symptome in einer Andrologischen Praxis oder einer Pulmonologischen Praxis auffällt, hängt von weiteren Faktoren wie dem TG-Repeat ab und kann nicht vorhergesagt werden.

Beste Grüße,
Frauke Stanke
09.10.2012
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke
------------------------
25.10.2012: Der Satz "Ein Beispiel dafür ist die Veranlagung, im Ejakulat keine Spermien (...)" wurde leicht abgeändert. A. Pfalz