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R1162X und Q1035X

Frage
Hallo liebes Expertenteam,

bei mir wurden kürzlich die Mutationen R1162X und Q1035X gefunden. Könnten Sie mir bitte folgende Fragen zu dieser Kombination beantworten:

- Gibt es eine Prognose zum Krankheitsverlauf?
- Wie ist die Häufigkeit beider Mutationen bzw. dieser Kombination?
- Ist für diese Mutationen irgendetwas in Bezug auf Forschung und neue Therapiemöglichkeiten in Aussicht?

Vielen Dank!!
Viele Grüße
Antwort
Liebe(r) Fragende(r),

je nach Land und Region wird R1162X bei weniger als 1 % (z.B. Norddeutschland) bis 10% (z.B. Norditalien) der Mukoviszidosepatienten beobachtet. R1162X ist eine gut bekannte, typische Mukoviszidose-Mutation, deren Ursprung in der Mittelmeerregion vermutet wird. Q1035X ist dagegen sehr selten --- weltweit sind bislang nur einzelne Fälle bekannt. Die Kombination aus den beiden Mukoviszidosemutationen R1162X und Q1035X ist daher sehr, sehr selten (und möglicherweise einzigartig).
Es gibt Daten, die nahelegen, R1162X würde zu einem milden Verlauf der Atemwegserkrankung führen. Das geht auf die Arbeiten von Herrn Pignatti aus Italien aus dem Jahre 1992 (also vor nun bereits 17 Jahren) zurück, der neun Patienten beschrieben hat, die auf beiden Chromosomen R1162X tragen (also R1162X/R1162X als Mutationsgenotyp). Herr Pignatti schätzt für diese Gruppe aus neun Patienten die Atemwegserkrankung „mild bis moderat“ ein ( „mild bis moderat“ heisst aber ebenfalls typisch Mukoviszidosekrank). Für Q1035X gibt es in der Literatur eine Beschreibung des Krankheitsverlaufes: Im Jahr 2004 haben Die Kollegen Nadja Bogdanova, Bernd Dworniczak, und Jurgen Horst aus dem Institut für Humangenetik der Universität Münster einen 29jährigen Patienten Mukoviszidose-beschrieben, der auf einem Chromosom Q1035X trägt (in Kombination mit F508del). Den Krankheitsverlauf haben die Autoren aus Münster als mild beschrieben.
Es ist zwar richtig, dass es in Abhängigkeit von den geerbten Mutationen möglich ist, auf den durchschnittlichen Verlauf der Erkrankung in einer Patientengruppe mit den gleichen CFTR-Mutationen Rückschlüsse zu ziehen, aber die Aussagekraft für den individuellen Verlauf eines einzelnen Patienten ist dabei nicht gegeben. In einer aktuellen Stellungnahme eines international zusammengesetzten CF-Expertengremiums heisst es dazu wörtlich „…Weitgefasste Zusammenhänge zwischen Mutationsgenotyp und Ausprägung der Erkrankung sind nützlich für die epidemiologische Forschung, aber der CFTR-Genotyp sagt den Verlauf der Erkrankung bei einzelnen Individuen nicht voraus. Die Verwendung des CFTR Genotyps zur Vorhersage der Prognose bei CF-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose wird daher nicht empfohlen. ….“ (der Vollständigkeit halber die Quelle dazu: Journal of Cystic Fibrosis 7(3):179-196; 2008). Ursache für diese fehlende Vorhersagekraft für den einzelnen Menschen sind alle Einflussfaktoren auf den Verlauf der Mukoviszidose, die neben dem CFTR-Mutationsgenotyp eine Rolle spielen (Umweltfaktoren, andere vererbte Eigenschaften, besonders wichtig: Arzt und therapeutisches Management der Erkankung) – nach der gegenwärtigen Einschätzung haben diese „nicht-CFTR-Faktoren“ für den Verlauf der Erkrankung einen größeren Stellenwert als der reine CFTR-Mutationsgenotyp.
Die CF-Mutation R1162X heisst so, weil an der Stelle Nummer 1162 des CFTR-Eiweißes der Baustein „R“ (das R steht für die Aminosäure Arginin) ein Stopp-Codon (abgekürzt X) steht. Das bedeutet, dass die Zelle von diesem mutierten CFTR nach 1162 Bausteinen ein Signal zum Abbruch der Proteinsynthese erhält und nur dieses verkürzte CFTR-Eiweiß daraus hervorgeht. Genauso kann man Q1035X übersetzen: das verkürzte Mukoviszidoseeiweiß ist nur 1035 Bausteine kurz. Solche Mutationen werden als Stoppmutationen bezeichnet.
Therapieoptionen für Patienten mit Stoppmutationen (alle Erkrankungen, nicht nur Mukoviszidose) ist grundsätzlich Ataluren, da diese Substanz dazu führt, dass das vorzeitige Stoppsignal beim Bau des Eiweißes ignoriert wird. Es befindet sich derzeit eine (weitere, es gab bereits mehrere) Studie zur Therapie mit Ataluren in Planung (link dazu: muko.info/forschung/klinische-studien/studienliste/ptc124-021.html). Teilnehmende Zentren sind: PD Dr. Ernst Rietschel, Köln; Dr. Nico Derichs, Berlin; Dr. Wolfgang Gleiber, Frankfurt; Prof. Dr. Matthias Griese, München; Dr. Cordula Koerner-Rettberg, Bochum; PD Dr. Jochen Mainz, Jena; Dr. Susanne Nährig, München. An diesen Orten können Sie weitere Informationen bekommen.

Mit den besten Grüßen,
Frauke Stanke
09.09.2014
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke