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Mutation 1717-1G-A homozytgot

Frage
Sehr geehrtes Expertenteam, Unser Sohn hat o.g. Mutation. Gibt es ev. bei dieser Mutation schon Erkenntnisse innerhalb einer Studie von Vertex oder ev. auch bei anderen. Zu welcher Klasse gehört diese Mutation definitiv (weil schon in div. Klassen eingeteilt gesehen) & wenn es eine Splicing-Mutation ist, was heisst das dann ?
Im Voraus vielen Dank für Ihre geschätzte Auskunft und freundliche Grüsse Marita
Antwort
Guten Tag,

1717-1 G-A ist eine Klasse 1 Mutation des Mukoviszidosegens CFTR – es gibt, wie Sie gleich sehen werden, KEINE mehrdeutige Einordnung für diese Mutation. Um Missverständnisse zu vermeiden fällt diese Antwort etwas länger aus – ich bitte vorab um Geduld und um Verständnis für den ausführlichen Text.

Um die Splicemutation zu verstehen, stellen Sie sich bitte das Mukoviszidosegen wie ein Buch mit mehreren Kapiteln vor (es sind für CFTR 27 Kapitel), die alle gelesen werden müssen, um das Mukoviszidoseeiweiß zu bauen. Bei uns im Erbgut liegen die einzelnen Kapitel, anders als in einem typischen Buch, nicht direkt hintereinander: zwei aufeinanderfolgende Kapitel trennt etwas anderes, sagen wir: lästige Werbung, die nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun hat. Das Mengenverhältnis für das CFTR-Gen ist dabei deutlich zugunsten der Werbung verschoben: etwa 200000 Buchstaben des Gens sind Werbung (die heißen bei Molekularbiologen Introns), etwa 4500 Buchstaben sind die eigentlich wichtigen, zu lesenden Kapitel (die heißen bei Molekularbiologen Exons). Um sich in dem CFTR-Gen zurechtzufinden, werden nur die Exonpositionen durchnummeriert: Nummer 1717 ist der erste Baustein im Exon 12 des CFTR-Gens. Die Positionen im Intron werden relativ dazu angegeben: 1717-1 bedeutet übersetzt „ein Baustein weiter vorne als 1717, also der letzte Baustein im Intron 11“. 1717-1 G-A (wir lesen 1717-minus-1-G-zu-A) bedeutet: an dieser letzten Position im Intron 11 soll eigentlich ein G stehen, aber dort steht ein A. Im Falle ihres Sohnes ist die Mutation homozygot, das A steht also sowohl auf der von der Mutter geerbten als auch auf der vom Vater geerbten CFTR-Kopie).

Beim Lesen tut die Zelle nun folgendes:
1. alles ablesen zur Vorläufer-Botenstoff-RNA, also Exons und Introns in 204500 Bausteinen hintereinander;
2. Intron heraussägen und Exons zusammenfügen zur 4500 Bausteinen langen Botenstoff-RNA;
3. Botenstoff-RNA in Protein übersetzen - da immer drei Buchstaben der Botenstoff-RNA einen Eiweißbaustein beschreiben, ist das nun ein etwa 1500 Bausteine langes CFTR-Protein.

Was bei Splicemutationen nicht funktioniert ist Schritt 2. (das Herraussägen der Introns wird als Splicen bezeichnet). Dazu braucht die Zelle verschiedene Signale, das wichtigste davon sind die Bausteine an den beiden ersten und an den beiden letzten beiden Positionen des Introns. Bei 1717-1 G>A ist die Information am Ende des Introns 11 nicht erkennbar – die Zelle weiß nicht, das dort ein Intron endet und ein Exon beginnt. Ann Harris und Kollegen haben 1993 die Botenstoff-RNA aus Nasalpolypen von Patienten mit der Mutation 1717-1 G>A untersucht (Quelle: Human Molecular Genetics, 1993, Vol6 Seite 691): der Botenstoff-RNA fehlt das Exon 11, der Leserahmen beim Übersetzen in das CFTR-Protein wird verschoben, ein verfrühtes Stoppsignal wird genutzt und es kommt zur Bildung eines verkürzten CFTR-Eiweißes (nur 566 Bausteine lang anstatt der etwa 1500 Bausteine des funktionierenden CFTRs).

Die Verwirrung bei der Klassenzuordnung von Splicemutationen beruht dabei darauf, dass es viele verschiedene Splicemutationen gibt: Positionen, die weiter im Intron liegen, werden nicht so konsequent genutzt. Tritt die Mutation z.B. an der Position +5 weiter innen im Intron auf, wird ein Teil der Vorläufer-Botenstoff-RNA richtig verarbeitet – das passiert bei einer Mutation an den Positionen +1, +2, -1, -2 leider nicht. Beispiele für Splicemutationen mit solcher teilweise richtiger Verarbeitung der Information sind 2789+5G>A oder 3272-26G>A – die Mutationen bestreffen Bausteine, die 5 oder 26 Positionen weit im Intron liegen und die sind für das Splicen „nicht so wichtig“.

Mir ist derzeit leider keine klinische Studie bekannt, bei der gezielt an 1717-1 G>A gearbeitet wird (etwa um das verkürzte Transkript oder ein daraus hervorgehendes verkürztes Protein mit 566 Bausteinen zu nutzen). Nach der Datenbank „clinicaltrails.gov“ gibt es derzeit eine Phase-2-Pilotstudie, bei der auch an Patienten mit der Mutation 1717-1 G>A das Medikament Ivacraftor erprobt wird (Internetadresse: clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT01685801). Die Kurzbeschreibung dieser klinischen Studie enthält keine Informationen darüber, welchen Wirkmechanismus die Firma Vertex bei Ivacraftor und 1717-1 G>A vermutet – es bleibt abzuwarten, ob Ivacraftor auch bei Patienten mit 1717-1G>A wirksam ist.

Mit den besten Wünschen, besonders für Ihren Sohn,
Frauke Stanke
22.10.2014
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke