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Schweißtest und Diagnosealgorithmus

Frage
Liebes Expertenteam,

ich habe mir den Haftungsausschuss durchgelesen und hoffe, meine Frage ist zulässig. Mir geht es selbstverständlich nicht um eine Diagnose, sondern um eine weitere, ergänzende Expertenmeinung.
Unser Sohn, 6 Jahre, wird derzeit auf Mukoviszidose hin untersucht. Dazu kam es, da ich aufgrund meiner eigenen Lungenerkrankung (LAM, hat nichts mit CF zu tun, andere Mutation usw.) in Reha war und dort mit CFlern in Kontakt kam und letzlich auch über meinen Sohn berichtete, der, genau wie ich, häufig mit Atemwegsinfekten zu kämpfen hat. Im Gespräch ging es darum, ob diese etwas mit meiner Grunderkrankung zu tun haben und ich äußerte den Verdacht meiner Ärzte, dass ich tatsächlich auch ein leichtes, sog. Infekt-Asthma habe. In meiner Familie gibt es starken Heuschnupfen (mein Vater und mein Bruder) und mein Sohn ist eben auch ein "Huster". Damit ist gemeint: Erkältungen fangen immer in der Nase an, wandern dann runter und manifestieren sich in den Bronchien. Dort sitzt der Husten dann zwar locker aber dennoch hartnäckig, manchmal bis zu 2-3 Wochen. Der Husten ist also produktiv, selten ist mein Sohn dabei obstruktiv und eine richtige Bronchitis oder gar eine Lungenentzündung hatte er noch nie. Er hat noch nie Antibiotikum erhalten, da es nicht nötig war.
Mein Sohn schwitzt allerdings schnell und ist untergewichtig (18,5 kg) bei normaler Größe (118cm). Er isst nicht viel aber gesund, viel Obst und Salat. Er ist sehr sportlich und gerät zwar schnell ins Schwitzen, aber nicht außer Atem.
Aufgrund des Gesprächs mit meinen bekannten CFlern sprach ich unsere Kinderärztin an, die, um micht zu beruhigen und um das Thema gründlich anzugehen, einen Termin zum Schweißtest in der Kinderklinik Sankt Augustin machte. Dieser war leider bei einen Chloridwert von 50. Es wurde gesagt, dass es auch an einer mangelnden Hydrierung liegen könnte. Mein Sohn trinkt auch nicht viel. Ich habe ihn dann in den folgenden zwei Tagen recht viel trinken lassen (so, wie es eben ging) und der 2. Schweißtest lag dann bei 31.
Danach folgte eine Stuhlprobe. Die Pankreas Elastase hatte einen super Wert (die genauen Werte liegen mir nicht vor), die Fette im Stuhl waren "leicht erhöht". Nächster Schritt: Mukoviszidose Ambulanz. Hier wird nun ein Gentest gemacht. Und ein dritter Schweißtest.

Ich könnte das nun einfach abwarten. Aber mir raubt es den Schlaf. Nach meiner eigenen Diagnose einer extremst (!!) seltenen, lebensverkürzenden, schweren Lungenerkrankung aus voller Gesundheit heraus im Februar diesen Jahres, nun dieser neue Alptraum. Dabei denke ich mir oft "Hätte ich es nur nicht angefangen..." Ich fühle mich wie in einer Diagnose-Mühle, einer Maschine, die nun weiterläuft. Gut, dass so gründlich geschaut wird! Aber es ist ein Grenzwert nach Grenzwert und der Gentest testet die häufigsten 30 Mutationen von knapp 2000. Wenn dieser negativ wäre, was ich so sehr hoffe, geht es noch weiter...dem Diagnose-Algorithmus zufolge. Das macht einen fertig.

Meine Frage: wie schätzen Sie die Lage ein, ist der Verdacht wirklich begründet? Daran anknüpfend: Woran könnte ein erhöhter Chlorid-Wert noch liegen? Was bringt uns ein Gentest, der ca. 1970 weitere Mutationen außer Acht lässt, wenn er negativ ist? Wie lange dauert ein solcher Gentest?

Vielen Dank vorab. Und entschuldigen Sie, dass es doch ein längerer Text war und dass es mehrere Fragen sind.

Herzlichst,
[Name der Mutter durch ECORN-CF gelöscht]
Antwort
Hallo,

da Ihr Bericht und die Fragen sehr umfangreich sind, will ich nur summarisch auf Ihre Fragen antworten. Sie haben berichtet, dass ihr 6-jähriger Sohn zwar oft Infekte der oberen Luftwege hat , die auch z.T. 2 bis 3 Wochen andauern. Der Sohn habe aber nie Antibiotika benötigt. Er sei sehr schlank. Durch CF-Patienten, die Sie in der Reha getroffen haben, wurden Sie auf den Gedanken gebracht, bei ihm einen Schweißtest zu veranlassen.
Im Säuglings- und Vorschulalter sind bei Kindern jährlich 6 Infekte der Luftwege ganz normal. Die Tatsache, dass er nie ein Antibiotikum benötigt hat ist sehr beruhigend. Sie berichten, dass die Bauchspeicheldrüsenfunktion geprüft wurde und normal sei.
Bei zwei Schweißtesten wurde einmal ein Wert von 50 mmol/l und beim 2. Test ein Wert von 31 mmol/l für Chlor gefunden. Es wurde Ihnen nun vorgeschlagen, eine molekulargenetische Untersuchung durchführen zu lassen.
Das schrittweise Vorgehen entsprechend dem Algorithmus ist richtig. Je nach Labor dauert die vorgeschlagene Gentest-Diagnostik zwischen 7 und 14 Tagen. Dies ist natürlich eine sehr belastende Wartezeit, die Sie nun schon seit längerer Zeit durchmachen. Aber ist gibt Argumente, die gegen das Vorliegen einer CF sprechen.

1) Bisher hatte ihr Sohn noch keine schwerwiegende Infektion der Atemwege
2) Die Bauchspeicheldrüsenfunktion ist normal.
3) Die Schweißtestergebnisse sind zwar sehr unterschiedlich ausgefallen. Die deutliche Differenz beider Testergebnisse ist etwas ungewöhnlich. Aber ein Wert liegt in Normalberich und vielleicht wird der dritte Wert ebenfalls im Normbereich liegen.
Wenn die Gen-Analyse keine Mutation zeigen sollte, so erscheint in der vorliegenden Situation eine CF statistisch sehr unwahrscheinlich und ich würde Ihnen raten, von weiterer Diagnostik Abstand zu nehmen.
Falls eine Mutation gefunden werden sollte, so wäre es sinnvoll, eine Zellphysiologische Untersuchung an der Rektumschleimhaut durchführen zu lassen, um absolute Sicherheit zu haben.
Insgesamt glaube ich nicht, dass ihr Sohn an CF leidet und ich hoffe, dass diese Einschätzung rasch bestätigt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. H.-G. Posselt
08.09.2016
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. H.-G. Posselt