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Rundreise in Kalifornien

Frage
Sehr geehrtes Expertenteam!

Meine Tochter CF (19) ist chronisch Accromobacter besiedelt und seit Feb. 2016 mit dem atypischen Mycobaterium Avium, dass sie derzeit unte recht schwierigen Bedingungen ( teilweise Medikamentunverträglichkeiten etc. therapiert.

Sie sollte mit Sommer 2017 ihre Matura abschließen und hätte sich danach eine Rundreise durch Kalifornien gewünscht. Bezüglich der medizinischen Versorgung etc. haben wir schon etliche Informationen eingeholt. Das wäre, natürlich nur sofern keine Verschlechterung des Allgmeinzustandes eintritt nicht wirklich ein Problem.
Nun haben wir aber auf Nachfrage in unserer CF-Ambulanz,

ob von dieser Seite etwas dagegensprechen würde, erfahren, dass gerade Kalifornien ( insbesondere die Küstengebiete) als auch Florida ( sogar noch stärker) mit der Vorkommen von atypischen Mycobacterien geradezu "verseucht sind" und von einer Reise eher abgeraten wird ( wurde scheinbar zuletzt auf dem Nordamerikakongress gezeigt)

Ich muss sagen , von dieser Seite haben wir sämtliche Reisen
und das waren bis jetzt schon einige,noch nie betrachtet.
Wo bekomme ich eigentlich solche Daten her? Somit müsste man sich doch auch informieren, ob nicht auch bei einer Reise z.b. nach Süditalien, Spanien oder Thailand - eigentlich überall auf der Welt Bakterien die dem CF - Kranken schaden können verstärkt vorkommen.
Trotzdem ist man natürlich sobald man dies weiß, extrem verunsichert und fragt sich, ob man das riskieren soll.
Ich als Mutter überhaupt.
Andererseits hat sie schon eine Besiedlung mit einem NTM und wir wissen auch nicht woher!
Meine Tochter ist im Moment ziemlich frustriert, da sie dies unbedingt bei noch gutem Gesundheitszustand machen wollte und sich jetzt aber verständlicher Weise nicht wirklich traut.
Vorallem hat sie jetzt Bedenken bei sämtlichen anderen Urlaubzielen auch?
Wie sehen Sie die Sachlage, würden auch Sie von einer Reise in diese Gebiete aufgrund der Fakten abraten und vorallem, wo bekommen wir in Zukunft solche Daten auch für andere Domizile her?

Vielen vielen Dank für Ihr Engagement
D.








Antwort
Guten Tag,

die fachlichen Hintergründe Ihrer Frage sind sehr komplex und es kommen auch einige letztlich nicht kontrollierbare Faktoren zum Tragen. Ebenso ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um eine allgemeingültige Empfehlung oder konkrete Risikoabschätzung zu geben, aber wir wollen helfen, dass Sie die Sachlage besser einschätzen können und so gemeinsam mit Ihrer Tochter eine zufriedenstellende Entscheidung finden.

Die Literatur zu sog. Nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) ist sehr umfassend, selbst wenn man die Anfrage auf NTM und Mukoviszidose beschränkt (vier unseres Erachtens besonders wichtige Quellen sind zitiert).
NTM werden bei durchschnittlich ca. 13% der CF-Patienten nachgewiesen, wobei regional (von CF-Center zu CF-Center bzw. von Land zu Land) deutliche Unterschiede bestehen können. Für CF-Patienten besonders relevant sind in allen Ländern Bakterien des Mycobacterium-avium-Komplex (MAC) und des Mycobakterium-abscessus-Komplex (MABS), wobei bei CF-Patienten erstere in den USA und letztere in Europa häufiger gefunden werden.
NTM kommen prinzipiell überall in der Umwelt vor und wurden v.a. in vielen unterschiedlichen Wasserreservoiren (Oberflächengewässer, Duschköpfen, öffentliche Trinkwassersysteme, Pools und Whirlpools) und im Erdboden nachgewiesen - sie können auch in chloriertem Wasser z.B. in sog. Biofilmen überleben (1). D.h. im Umkehrschluss nicht, dass in jedem der genannten Reservoire grundsätzlich und überall NTM nachweisbar sind, aber es handelt sich um potentielle Quellen.
Die unterschiedliche Verbreitung von NTM unter CF-Patienten weltweit zeigt, dass offensichtlich geographische und neuen Daten zur Folge auch klimatische Faktoren das Risiko, NTM zu erwerben, beeinflussen. Dabei gibt es, bezogen auf die USA und wie Sie bereits erfahren haben, deutliche Unterschiede hinsichtlich einzelner Bundesstaten, wobei CF-Patienten aus Arizona, Montana, Nevada, im Osten der USA (z.B. South Carolina, Mississippi, Florida) sowie Hawaii und Alaska häufiger mit NTM kolonisiert sind als im Landesdurchschnitt (2). Dabei scheint v.a. die hohe Luftfeuchte einer geographischen Region die Kolonisierung zu begünstigen (2,3). Dies ist insofern plausibel, da als wichtiger Übertagungsweg für NTM sog. Aerosole (Wassertröpfchen in der Luft) angesehen werden. Ob in den genannten Bundesstaaten NTM in der Umwelt stärker verbreitet sind oder nur die Übertragung leichter funktioniert, kann nicht beantwortet werden.
In einer anderen Studie konnten NTM v.a. in Braunwasser-Moorgebieten nachgewiesen werden an der Südost-Küste der USA, v.a. bei hohen Temperaturen und niedrigem pH Wert im Erdboden (3), sodass Sumpfgebiete besser zu meiden sind.
Das Risiko NTM zu erwerben hängt aber auch von bestimmten Verhaltensweisen ab; so zeigte sich z.B. die Benutzung von Indoor-Schwimmbädern als Risikofaktor, wobei tägliches Duschen oder der Kontakt zu Erdboden kein erhöhtes Risiko bedingte (1).
Da nicht alle Patienten, die den Mykobakterien ausgesetzt sind, diese auch tatsächlich bekommen, werden auch individuelle Faktoren (Immunabwehr, genetische Faktoren, Ausmaß der gestörten Reinigungsfunktion der Lunge) als bedeutsam angesehen, d.h. bestimmte Personen sind empfänglicher als andere.
Noch bis vor wenigen Jahren galt als Hauptinfektionsquelle die Umwelt. Neuste Erkenntnisse (4) weisen darauf hin, dass insbesondere für MABS die Übertragung von Mensch zu Mensch – direkt oder indirekt (also über kontaminierte Aerosole, Flächen oder Gegenstände) - und ausgehend von einem Keimträger (z.B. kolonisierter Patient), eine wichtige Rolle spielen (4).

Zusammenfassend ist die Frage, wo man sich mit NTM infizieren kann, weiterhin nicht einfach zu beantworten. NTM bei CF-Patienten weltweit vor. In Regionen mit hoher Luftfeuchte, wo NTM durch klimatische Bedingungen häufiger vorkommen, sind die Fallzahlen und wahrscheinlich das Risiko höher, NTM zu erwerben. Bei den Daten aus den USA, darf man nicht vergessen, dass sich die Daten auf Patienten beziehen, die in der jeweiligen Region leben. Ob sich die regionale Risikoverteilung auch auf Reisende übertragen lässt, ist ungeklärt.
Anzuraten ist unseres Erachtens immer, bestimmte risikoreiche Expositionen zu vermeiden, z.B. kein Wasser aus Wasserleitungen trinken, keine Indoorpools oder auch Whirlpools nutzen; Expeditionen in Sumpfgebiete meiden usw. Ob man geschützter ist, wenn man bestimmte Regionen der USA meidet (z.B. Florida) oder auch bestimmte Reisezeiten (z.B. Jahreszeiten hohe Luftfeuchte) ist derzeit nicht zu beantworten. Insofern ist es unseres Erachtens nicht vertretbar ein regionale Reisewarnung auszusprechen (abgesehen von z.B. Thailand wegen Burkholderia spp.). Vergleichbare Daten zu anderen Ländern oder Regionen sind ebenfalls nicht verfügbar.

Da man als CF-Patient ein höheres Risiko hat, Umweltkeime bzw. Feuchtkeime (die typischen CF-Keime inkl. NTM) zu erwerben, besteht immer auch bei Reisen ein gewisses Risiko. Sie werden unter Ärzten hierzu ggf. verschiedene Meinungen hören, ob von einer Reise abzuraten ist oder nicht. Dies liegt letztlich auch daran, dass man das konkrete Risiko nicht beziffern kann. Jeder Patient muss am Ende immer selbständig den individuellen Verlust an Lebensqualität z.B. das Unterlassen einer Reise, abwägen.

Wir hoffen, dass Sie mit Hilfe obiger Ausführungen die Sachlage besser einschätzen können und mit ihrer Tochter zu einer Entscheidung kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Daniela d’Alquen und Dr. M. Hogardt

(1) Mc Shane PJ and Glassroth JG, “Pulmonary disease due to nontuberculous mycobacteria”. Chest. 2015; 148(6): 1517-27
(2) Adjemian J, et al., “Nontuberculous mycobacteria among patients with cystic fibrosis in the United States: screening practices and environmental risk”. Am J Respr Crit Care Med. 2014; 190(5):581-86
(3) Prevots DR, et al. “Environmental risks for nontuberculous mycobacteria – individual exposures and climatic factors in the cystic fibrosis population”. AnnalsATS. 2014; Vol11(7): 1032-1038
(4) Bryant JM et al.”Emerge and spread of a human transmissible multidrug-resistant nontuberculous mycobacterium”. Science. 2016; Vol 345(6313): 751-757
30.01.2017
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Daniela d'Alquen