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Kostenübernahme der Physiotherapie durch die PKV

Frage
Sehr geehrtes Expertenteam,
meine Tochter (8) wurde ca. 3 Wochen nach ihrer Geburt diagnostiziert. Sie ist über meinen Mann privatversichert. Bislang sind wir auch sehr zufrieden mit den Leistungen der PKV. Ihr Gesundheitszustand ist sehr gut und stabil.
Dieses Jahr waren wir zum ersten Mal in der Reha. Seit dem geht sie 1x wöchentlich zur Physiotherapie, bei einem dafür ausgebildeten Physiotherapeuten. Die Ernüchterung kam mit der ersten Rechnung. Die Stunde kostet 84,90 €, die PKV übernimmt aber lediglich 38 €, also nicht mal 50% der Kosten, und der Physiotherapeut sagt, er rechne mit Faktor 1,7 ab, dürfe bei Privatpatienten aber bis 2,3 gehen, d.h. die 38 € sind nicht mal Faktor 1 und lt. Physiotherapeut weniger als die gesetzlichen Krankenkassen oder die Beihilfe zahlen.

Die Krankenversicherung sagt ganz einfach, das ist halt der Tarif, da müssten wir dann einen anderen wählen, dann würde mehr übernommen, aber d.h. hieße für uns ja dann auch Risikoaufschlag....

Meine Frage: a) Ist es wirklich rechtens, dass die PKV weniger als die GKV oder auch die Beihilfe übernimmt? b) Gibt es eine Möglichkeit (evtl. Präzedenzfall) dagegen anzugehen (immerhin hieße es so knapp 2000 €/Jahr aus eigener Tasche übernehmen zu müssen, Tendenz steigend, weil die Therapiekosten steigen, aber die PKV ihre Sätze seit Jahren nicht anpasst)?

Vielen Dank für Ihre Hilfe.

Mit freundlichen Grüßen,
A. V.
Antwort
Sehr geehrte Fragestellerin, sehr geehrter Fragesteller,
bitte beachten Sie, dass diese Antwort eine Einzelfallberatung beim Rechtsanwalt nicht ersetzen kann und dass für ihre Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen wird.
Grundsätzlich gilt im Deutschen Zivilrecht das Prinzip der Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass das, was die Parteien vereinbart haben, gilt, sofern es nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt. In erster Linie ist also von dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag auszugehen. Da ich Ihren Vertrag nicht kenne, kann ich dazu leider auch keine abschließende Einschätzung geben.
Wenn in Ihrem Vertrag eine Deckelung der Kostenerstattung für Heilmittel vereinbart wurde, ist dies bindend.
Aber auch wenn keine Kostenobergrenze, sondern die volle Kostenübernahme tariflich vereinbart wurde, hat diese eine Grenze:
Im Gegensatz zu ärztlichen Leistungen gibt es für die Physiotherapie keine Gebührenordnung. Es empfiehlt sich deshalb, im Vorfeld der Behandlung einen Kostenvoranschlag von dem Physiotherapeuten zu erbitten und bei der Krankenversicherung zur Klärung der Kostenerstattung einzureichen. Sollten Sie keinen Behandlungsvertrag mit dem Physiotherapeuten abgeschlossen haben, gilt nach § 612 BGB die ortsübliche Vergütung als vereinbart. Dagegen kann sich die Private Krankenversicherung zwar nicht sträuben, aber oftmals wird die Ortsüblichkeit in Frage gestellt.
Daher haben sich mehrere Physiotherapieverbände zusammengeschlossen und eine unverbindliche Gebührenübersicht für Therapeuten (GebüTh) verfasst, mit dem Ziel, die Ortsüblichkeit der Vergütung zu konkretisieren.
Informationen dazu finden Sie z.B. hier:
www.physiomedico.de/fileadmin/pdf/Gebueth_patienten_pt_2011.pdf


Außerdem hat sich im Mai dieses Jahres der Wissenschaftliche Dienst mit der Einführung einer Gebührenordnung für Physiotherapie befasst:
https://www.bundestag.de/blob/514140/cb71c3d5e1cf36f49ac2da02aac9f0a1/wd-9-020-17-pdf-data.pdf
Was dies für die Praxis bedeutet, ist aktuell aber nicht abzusehen.
Bedauerlicherweise bildet nicht nur die Höhe der Vergütung, sondern auch die Dauer der Behandlung einen Streitpunkt, da die Beihilfeverordnungen bei KG-Muko lediglich die Erstattung einer 45-minütigen Behandlung berücksichtigt und keine 60-minütige, wie beispielsweise im Heilmittelkatalog vorgesehen und vom Arbeitskreis Physiotherapie des Mukoviszidose e.V. empfohlen. Das System der Beihilfe basiert darauf, dass die beihilfeberechtigten Beamten einen Eigenanteil als Eigenverantwortung übernehmen. Dieser Eigenanteil wird häufig durch eine Zusatzversicherung gewährleistet. Eine Übersicht der beihilfefähigen Höchstbeträge bei Bundesbeamten finden Sie hier:
www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/DLZ/Informationsschriften/Beihilfe/heilbehandlungen.pdf?__blob=publicationFile

Ich biete Ihnen gerne an, sich telefonisch bei mir in der Geschäftsstelle des Mukoviszidose e.V. zu melden, damit wir ganz konkret über Ihre Versicherungsbedingungen sprechen können. Ggfs. kann ich Sie auch an andere Experten weitervermitteln. Die Telefonnummer und Beratungszeiten finden Sie hier:
https://www.muko.info/angebote/beratung/psychosoziale-und-sozialrechtliche-beratung/ .
Mit freundlichen Grüßen
Annabell Karatzas
Mukoviszidose e.V.
01.12.2017
Die Antwort wurde erstellt von: Annabell Karatzas