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CF und ASS-Intoleranz
- Frage
- Sehr geehrte Damen und Herren,
ich betreue einen 17-Jährigen Patienten mit CF:
homozygot für c.358G>A, p.(Ala120Thr)
Pankreassuffizienz
Erstdiagnose mit 17 Jahren
Symptome: rezidivierende Polyposis nasi seit 1 Jahr (Z.n. Polypenentfernung 09/17 und 07/18)
keine bronchopulmonalen Beschwerden
Lufu unauffällig, FEV1 101 % d.S.
CT Thorax unauffällig
Pseudomonas negativ, kein MRSA
Meine Fragen zu diesem Patienten:
1.) Wie ist die Mutation einzuschätzen? Unter www.cftr2.org kann ich die Mutation nicht finden. Der klinische Verlauf (ED mit 17 J, außer Polyposis nasi keine Klinik) spricht ja für einen milden Verlauf, aber kann man mehr dazu sagen?
2.) Gibt es Erfahrungen mit CF und ASS-Desaktivierung?
Vielen Dank für eine Antwort,
Julia Delißen - Antwort
- Sehr geehrte Fragstellerin/Kollegin,
wir haben die beiden Teilaspekte an Frau Dr. Stanke (Genetikerin) und Herrn Dr. Heuer (pädiatrischer Pneumologe) aufgeteilt; hier kommen die Antworten:
1.) Frau Dr. Stanke schreibt: " zur Alanin-120-Threonin-Variante:
Die Mutation wurde von Chillon & Kollegen heterozygot erstbeschrieben (Chillon M, Casals T, Gimenez J, Nunes V, Estivill X Analysis of the CFTR gene in the Spanish population: SSCP-screening for 60 known mutations and identification of four new mutations (Q30X, A120T, 1812-1 G-->A, and 3667del4). 1994;3(3):223-30) und kann bislang, wie alle seltenen Missense-Mutationen, in ihrer klinischen Konsequenz nicht eingeordnet werden. Der spanische Indexfall (A120T/unbekannte Mukoviszidose-auslösende Mutation) war nach Angabe von Theresa Casals: " Patient (M) is 4y, has sweat-chloride levels of 90mM/l. 5T was found on the other allele. (Pers. corr. Casals)"
Durch den hier via ECORN-CF beschriebenen homozygoten Indexfall ist die Zuordnung nun möglich: 1. A120T ist eine Mutation, die Mukoviszidose auslösen kann (denn die Kollegin schreibt, dass sie die Diagnose Mukoviszidose klinisch stellen kann) und 2. A120T bewirkt eine milde Mukoviszidose (diese Zuordnung ist allein aufgrund des späten Diagnosealters und des milden Verlaufes richtig).
Hier gilt also: die Mukoviszidose-Community kann durch die Fallbeschreibung dieses Patienten dazulernen, das gelingt aufgrund der Homozygotie des Patienten für die seltene Missense-Mutation A120T."
2.) Zunächst ein Quellenartikel:
"Das ASS-Intoleranz-Syndrom (M. Samter, M. Widal) – Ursache für Nasenpolypen, Asthma bronchiale und Urtikaria
C. Umbreit, L. Klimek, O. Pfaar, Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden
Überempfindlichkeitsreaktionen auf nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) wie auf Acetylsalizylsäure werden in Kombination mit Polyposis nasi und Asthma bronchiale als Morbus Widal (Samter Trias, Morbus Samter) bezeichnet, wobei der Begriff Aspirin-Exacerbated-Respiratory Disease (AERD) neuerdings favorisiert wird. Diese Pseudoallergie tritt bei bis zu 10% aller Asthmatiker auf und verursacht schwerwiegende, lebensbedrohliche oder anaphylaktische Episoden. Es handelt sich hierbei nicht um einen IgE-vermittelten Mechanismus, sondern um eine erworbene Dysbalance im Arachidonsäurestoffwechsel, welche durch die Aufnahme von nichtsteroidalen Antiphlogistika akut verstärkt werden. Die Patienten leiden auch ohne Einnahme von NSAIDs neben der genannten Symptomtrias an nasaler Obstruktion, wässriger Rhinorrhoe, Hyposmie, Urtikaria und/oder Angioödemen. Die Diagnose einer Analgetika-Intoleranz lässt sich nur mit Hilfe eines Provokationstests stellen. Die Grundkrankheit wird mit topischen und systemischen Glukokortikosteroiden, Beta2-Sympathomimetika und Anti-Leukotrienen behandelt, NSAIDs sind streng zu meiden. Eine spezifische Therapie steht mit der adaptiven ASS-Desaktivierung zur Verfügung, von der gerade Patienten mit ansonsten behandlungsresistenten Verläufen profitieren.
Einleitung
Kurz nachdem Aspirin (ASA) von Bayer® als ein Medikament mit analgetischer, antipyretischer und antiinflammatorischer Wirkung vermarktet wurde, sind von Hirschberger und Mitarbeitern im Jahr 1899 verschiedene anaphylaktoide Reaktionen nach Aspirineinnahme beschrieben worden [1]. Widal und Mitarbeiter zeigten die typischen Symptome, bestehend aus Asthma und Polyposis nasi, nach Applikation von Aspirin 1922 [2]. Später wurde das klinische Bild der Aspirin-Unverträglichkeit durch Studien von Samter und Beers veröffentlicht, weshalb die typische Symptomentrias, bestehend aus Aspirin-Intoleranz, Polyposis nasi und Asthma bronchiale, auch als Samter-Trias oder Morbus Samter bzw. Morbus Widal bezeichnet wurde [3]. Patienten mit Asthma und hyperplastischer Sinupathie und/oder Polyposis nasi entwickeln nach Einnahme von ASA schwere, therapierefraktäre Asthmaanfälle, während andere Patienten, insbesondere ohne Asthma profuse Rhinorrhoe und nasale Blockade entwickeln, andere Patienten wiederum urtikarielle Hautreaktionen. Kombinationen dieser Manifestationen sind möglich aber eher die Ausnahme [4]. Nach derzeitigem Wissensstand handelt es sich hierbei nicht um einen IgE-vermittelten Mechanismus, typisch für allergische Reaktionen vom Typ 1, sondern um eine erworbene Idiosyncrasie des Arachidonsäuremetabolismus [5].
Aufgrund der Tatsache, dass auch unabhängig von der Einnahme von NSAIDs eine meist schwere, chronisch progrediente Atemwegserkrankung vorliegt, die sich verschlechtert, wenn NSADIs akzidentiell eingenommen werden, wurde der Begriff der Aspirin-exacerbated respiratory disease (AERD) vorgeschlagen und angenommen [6]. Die rein kutane Form der Analgetikaintoleranz mit Urtikaria und Angioödem tritt seltener in Erscheinung." [Ende des Quellenartikels, den Dr. Heuer angegeben hat]
Dr. Heuer schreibt:
"Eigene Erfahrungen mit CF und ASS-Desaktivierung habe ich nicht, versuche mich aber etwas der Fragestellung zu nähern.
Grundsätzlich wird sehr viel über die ASS-Intoleranz geschrieben. Ich habe lediglich eine einzige CF-Patientin in meinem Klientel gehabt. Auch sonst bei meinen Asthmatikern konnte ich dieses Phänomen nicht studieren.
Ich könnte nicht behaupten, dass dies ein CF-spezifisches Problem darstellt. Die häufig bei CF auftretenden Nasenpolypen stehen M.E. nicht mit einer ASS Unverträglichkeit im Zusammenhang!
Es gibt kaum eine Indikation für eine ASS-Gabe bei CF.
Die NSAID wie Ibuprofen setzen wir in Deutschland im Gegensatz zu den USA nicht regelmäßig ein.
Sollte der Verdacht auf eine ASS-Intoleranz bestehen, dann sollte in einer allergologischen Ambulanz weiter untersucht und ggfs. eine Hyposensibilisierung begonnen werden.
Die Polyposis nasi stellt ja ein CF-typisches Problem dar. Gelegentlich imponiert dabei eine Anosmie. Eine nasale Inhalationsbehandlung mit einem Cortison-Präparat ist dann das Mittel der Wahl.
Auf jeden Fall möchte auf Operationen primär verzichtet werden. Nur in Extremfällen mit totaler Nasenbockade kann man mit einem CF-erfahrenen HNO-Spezialist darüber diskutieren!!!!
Die Einschätzung der fragenden Kollegin teile ich vollkommen.
Der Patient sollte auf jeden Fall in einer CF-Ambulanz mitbetreut werden.
Ein Spermiogramm wird später sicher von Interesse sein."
Beste Grüße
Dr. H.-E. Heuer
- 21.09.2018
- Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke