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Verordnungspraxis zu Kaftrio in Deutschland

Frage
Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die DCFH – Deutsche CF-Hilfe e.V., erleben derzeit ein sehr unterschiedliches Verhalten deutscher CF-Versorgungseinrichtungen, was die Verordnung von Kaftrio betrifft.

Überschlägig etwa 80% der CF-Ambulanzen verordnet schlicht gemäß Indikation, also Vorliegen einer gesicherten CF-Diagnose sowie Vorliegen der Mutation F508del auf einem Allel und einem weiteren Allel mit einer aus derzeit gut 900 Mutationen.

Kaftrio stellt ja aufgrund seiner Funktionsweise eine Prophylaxe gegen Folgeerscheinungen der CFTR-Fehlfunktion in vielen Organklassen dar. Es vermag nicht die Folgeerscheinungen selbst wie etwa dauerhafte Schädigungen etwa an Lunge, Darm oder Leber zu heilen, sind diese erst einmal eingetreten. Wahrscheinlich beginnt dieser Prozess der Schädigung bereits vor der Geburt. Häufig ist zum Beispiel bereits wenige Monate nach der Geburt der Lung Clearance Index deutlich erhöht.
Ein Medikament, das die Entstehung dieser Schädigungen verhindern kann, sollte daher, so denken wir, gegeben werden, ehe irreversible Schäden an den Organen entstanden sind, damit es seine Wirksamkeit und damit auch seinen wirtschaftlichen Nutzen (Verhinderung teurer Folgebehandlungen irreversibler Schäden) voll entfalten kann.

Wir halten es für eine Illusion, durch eine bloß hinreichende Aufmerksamkeit den Zeitpunkt noch rechtzeitig abzupassen, um eine solche Schädigung zu verhindern. Selbst wenn es dafür die diagnostischen Möglichkeiten gäbe, was sicherlich nicht der Fall ist, ginge dies an den traurigen Realitäten in der CF-Versorgung vorbei. Etwa wird besagter Lung Clearance Index bisher nur bei wenigen CF-Versorgern routinemäßig erfasst.

Leider bekommen wir trotzdem von einigen Patient*innen zum Teil verzweifelt klingende Rückmeldungen. Bei diesen wird die Therapie mit Kaftrio trotz passender Mutation von vornherein verweigert. Begründet wird die Weigerung, Kaftrio zu verschreiben, u.a. mit dem angeblichen Nicht-Beherrschen der Autogenen Drainage, oder damit, dass Kaftrio erst verschrieben werden könnte, wenn alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft seien.
Auch, dass eine Weiterverordnung von einer starken Besserung einzelner Parameter (Schweißtest, FEV1, Gewicht) abhängig gemacht wird, haben wir als Rückmeldung von Patienten erhalten. Dabei bleibt unklar, wer (wo) festlegt, was als „ausreichende“ Besserung für eine weitere Verordnung gelten darf.

Ganz kritisch finden wir in diesem Zusammenhang und aus oben genannten Gründen eine Haltung, bei der zum Ausdruck gebracht wird, dass namentlich die Lunge noch "zu gut" für eine Behandlung mit Kaftrio sei.

Wie beurteilen Sie die Rechtslage? Darf aufgrund solcher Kriterien die Verordnung verweigert werden, wenn Mutation und Alter, die in der Zulassung genannten Indikationskriterien, erfüllt sind?

Mit freundlichen Grüßen
Kai-Roland Heidenreich · dcfh.de
Antwort
Hallo Herr Heidenreich,

Ihre Frage kann man eigentlich kurz beantworten: Ein Medikament, für das die Kriterien nach der Fachinformation erfüllt sind, kann zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden. Über die Verordnung entscheidet allerdings der Arzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit. Daher müssten Sie, wenn ein Arzt die Verordnung nicht ausstellen will, den Arzt wechseln.

Eine andere Möglichkeit gibt es erstmal nicht. Ob Sie den Arzt auf unterlassene Hilfeleistung erfolgreich verklagen können, glaube ich eher nicht, denn dann müssten Sie auch die europäische Arzneimittelbehörde verklagen, die ja anders als die FDA Kaftrio nur für Patienten mit dF508 homozygot oder dF508/Minimalfunction-Mutation zugelassen hat. Es fallen also alle anderen Mutationen weg, bei denen Kaftrio auch wirken könnte.

Unabhängig vom rechtlichen sollte trotzdem beurteilt werden, bei welchem Patienten Kaftrio/Kalydeco wirklich etwas bringt. Einem 55 jährigen CF-Patienten, der dF508 homozygot ist, einen normale Lungenfunktion hat und in der Bildgebung keine Bronchiektasen und der sonst außer gelegentlich Kochsalzinhalation keine Therapie benötigt (so jemanden haben wir bei uns), würde ich Kaftrio nicht verordnen, da ich nicht weiß, was das Medikament noch verbessern soll.

Daher finden ich persönlich - aber das kann jeder Arzt anders beurteilen - einen Therapieversuch über drei Monate immer gerechtfertigt, um ein Ansprechen zu beurteilen.

Schwierig wird es sicher in Zukunft werden, wenn die Zulassung auch für kleinere Kinder erfolgen wird, die ja hoffentlich kaum Organschäden haben und bei denen dann Kaftrio rein prophylaktisch wirken soll. Hier könnte aber ein Schweißtest zumindest ein Signal liefern, ob das Medikament überhaupt wirken kann.

Ich hoffe, damit ein bisschen zur Klärung beitragen zu können, letztlich bleibt das Ganze aber auch immer ein ethisches Problem.

Mit besten Grüßen

Fischer
23.11.2020
Die Antwort wurde erstellt von: PD Dr. Rainald Fischer