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Samenleiter unterbrochen beim Baby.

Frage
Hallo mein Sohn 18 Monate wurde wegen Hodenhochstand Operiert und dabei stellten die Ärzte fest, dass sein Samenleiter eine 3 cm lange Unterbrechung hat. Weiteres haben sie dazu nicht gesagt, nur dass es mit dem fehlerhaften Hodenabstieg zusammenhängen könnte. Ich selbst habe durch googlen rausbekommen, dass es eine milde form von mukoviszidose sein könnte. Das hat mir sehr viel Angst bereitet. Wir wissen leider nicht, wie es auf der anderen Seite aussieht wo der Hoden normal abgestiegen ist. Meine Frage ist: Kann es sein, dass der andere Samenleiter normal entwickelt ist? Und würde man eine milde Form von Mukoviszidose auch bei dem Neugeborenen Screening erkennen können also bei dem Mukoviszidose Screening? Und falls es wirklich eine milde Form von Mukoviszidose ist: hat mein Sohn diese dann von uns beiden (mama und papa) geerbt ? Und bedeutet dies, dass auch unsere weiteren Kinder wenn wir welche bekommen, Mukoviszidose haben können? Oder werden wir immer nur die milde Form der Mukoviszidose weitervererben?
Ich würde mich sehr freuen wenn sie mir etwas helfen würden.
Liebe Grüße
Antwort
Lieber Ratsuchender,
die Wahrscheinlichkeit, dass auf der anderen Seite der Hoden physiologisch abgestiegen und somit dann auch voll funktionsfähig ist, eine Zeugungsfähigkeit später also besteht, ist sehr groß.
Bei einer beidseitigen Störung des Samentransports läge eine Fertilitätsstörung vor.
‚Eine Sonderform der Einschränkungen des Spermientransports stellt eine angeborene, genetische Störung der Anlage der Samenwege dar (Congenitale Beidseitige Aplasie der Vas Deferens; CBAVD). Hier kommt es infolge zweier genetischer Veränderungen in einem Gen (CFTR-Gen) zu einem beidseitigen Untergang zumindest von Anteilen der Samenleiter, Samenblasen oder Nebenhoden. (MVZ Münster: Einschränkung des Samentransportes)‘ Die CBAVD stellt eine besondere Form einer gering ausgeprägten Mukoviszidose dar. Der gelesene Google-Eintrag meint bestimmt diese besondere leichte Form der Mukoviszidose.
Primär würde man bei einem Hodenhochstand nicht unbedingt an das Vorliegen einer Mukoviszidose denken. Einen korrekten Google-Hinweis mit diesem Hinweis gibt es auch nicht. Nach Austausch mit weiteren Kollegen mit langjähriger CF-Erfahrung konnten auch die Kollegen nicht von Fällen mit Hodenhochstand und CF berichten; dennoch findet man bei detaillierter Literaturrecherche tatsächlich Berichte über Fälle, bei denen Patienten mit CF auch Hodenauffälligkeiten aufwiesen, dies ist jedoch nicht der klinische Regelfall, sondern eher die Ausnahme.
Im Rahmen der CBAVD werden in der Regel beide Samenleiter betroffen sein.
Das Neugeborenen-Screening ist relativ sicher, dennoch gibt es wenige falsch negative Befunde. Entscheidend ist immer die Kooperation zwischen Kinderarzt und Mukoviszidose-Ambulanz!
Eine milde Form der Mukoviszidose wird man immer erkennen können. Natürlich hat ein Kind die Mukoviszidose von beiden Eltern geerbt und natürlich könnten dann weitere Kinder betroffen sein. Und man kann nicht vorher sagen, ob eine Mukoviszidose-Erkrankung milde oder schwerer auftreten wird. Dies wird man erst nach Analyse der entsprechenden Mutationen (CFTR2) feststellen.
ABER die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Fall eine Mukoviszidose vorliegen muss, ist äußerst gering.
Gibt es dann überhaupt Hinweise klinisch für eine derartige genetische Erkrankung?
Ist der Stirnkuss salzig?
Ist das Gedeihen gestört?
Gibt es Hinweise auf eine gehäufte Bronchitis?
Meine Empfehlung: Vorstellung beim Kinderarzt und Diskussion mit Ihm über die Möglichkeit des Vorliegens einer Mukoviszidose.
Sollten tatsächlich geringe Hinweise auf den Verdacht einer Mukoviszidose bestehen, dann wird man die nächste Mukoviszidose-Ambulanz aufsuchen und um einen Schweißtest bitten.
Zusammengefasst lässt sich klar aussagen: primär besteht kein regelhafter Zusammenhang zwischen Hodenhochstand und Mukoviszidose. Eine Zeugungsunfähigkeit ist bei einseitiger Hodendysfunktion bzw. einseitiger Samenleitererkrankung nicht anzunehmen.
Der unauffällige Neugeborenen-Screening Test schließt erst einmal eine Mukoviszidose aus, auch eine leichte Form. Sollten in irgendeiner Form Zweifel weiter bestehen, kann ein Schweißtest recht rasch Klarheit bringen.
Meine Bitte an Sie, liebe Eltern: Sprechen Sie primär Ihre Zweifel mit Ihrem Kinderarzt ab.
Mit besten Grüßen
Dr. H.-E. Heuer

Literatur zu Hodenhochstand und Samenleiterpathologie bei CF

Holsclaw DS 1971 u.a. maldescended testicle in males with CF
Goshen R 1992 undescended testis and absense of vas deferens
Profka E 2020 bilaterale Hodenatrophie bei CF
06.02.2021
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Hans-Eberhard Heuer