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Aussagekraft genetischer Komplettsequenzierung

Frage
Sehr geehrte Experten,

2 positive Schweißtests im Alter von 37 Jahren, erst 70mmol/l, wenige Tage später 63 mmol/l, und Symptome, die ein Bisschen passen (leichtgradiges allergisches Asthma (Atopiker), chronische Rhinitis, wenig Reizdarm, OAT-Syndrom), führten zur Komplettsequenzierung des CFTR-Gens.
Anzumerken ist, dass ein aktuell gemachtes HR-CT völlig ohne Befund ist. LuFu: FEV1 nie kleiner als 112 bis 119 Prozent, keine Obstruktion nachweisbar.
Als Säugling war ein Schweißtest grenzwertig.
Des Weiteren ist anzumerken, dass der Patient stark schwitzt bei täglichem Ausdauersport und tatsächlich Probleme hat, seinen Flüssigkeitshaushalt auszugleichen.
Es gibt Phasen der Eksikose (brauner Urin) und Phasen, in denen er unheimlich viel klaren Urin lassen muss. Eine Untersuchung der Nieren in 2019 war unauffällig.
Darüber hinaus liegt ein Zustand nach Hashimoto Thyreoiditis vor, welche grenzwertig medikamentös eingestellt ist. Die Schilddrüsenfunktion war als Kind jedoch schon immer granzwertig (TSH 4 bis 5).
Möglicherweise sind dies alles Störfaktoren für den Schweißtest.
Die Komplettsequenzierung des CFTR-Gens ergab keinen Befund (nicht einmal eine Mutation oder ein verändertes Allel) mit der Angabe, dass eine Restwahrscheinlichkeit besteht von 0,09 Prozent bei klinischer CF mit der angewandten Methode, kein verändertes Allel zu finden.
Ich bin darum ehrlich gesagt ratlos und habe folgende Fragen:

1. Wie wahrscheinlich ist ein falsch positiver Schweißtest (certifiziertes CF-Zentrum Kinderklinik)?

2.Die 31 häufigsten Mutationen auf der ersten Stufe des Gentestes beinhalteten nicht die R117H-5T bzw. 7T Variante oder gar seltene Varianten wie p67l. Hätten solche Deletionen auffallen müssen in der erfolgten Komlettsequenzierung des CFTR-Gens oder könnten diese dabei irgendwie untergehen?

3.Reicht unter diesen Bedingungen Zuwarten unter regelmäßiger Kontrolle der Organe aus oder sollte ich unbedingt auf einen Ausschluss oder eine Bestätigung der Diagnose drängen?

Ich bedanke mich für Ihre Einschätzung und hoffe, dass es nciht zu ausführlich ist!


Antwort
Sehr geehrter Ratsuchender,
Frau Dr. Stanke (Genetiker), Herr Dr. Heuer (erfahrener pädiatrischer CF-Arzt) und ich (Kinderpneumologin, Schwerpunkt CF), haben eine gemeinsame Antwort formuliert.

Ad 1. Schweißtest-Werte können durch eine Vielzahl von Erkrankungen falsch zu hoch ausfallen; unter anderem bei Nebennierenrindeninsuffizienz, Neurodermitis, Zöliakie, Dehydratation und Schilddrüsenunterfunktion.

Ad 2. Natürlich sollten spätestens nach der Komplettsequenzierung seltene missense-Mutationen geklärt sein, so vorhanden. Daher sollten die erwähnten Mutationen bei einer Komplettsequenzierung auch entdeckt werden. Deletionen wie CFTRdelEx2,3 dagegen werden üblicherweise direkt getestet.

Ad 3. Glücklicherweise werden die Symptome, die auf eine CF hinweisen könnten, moderat beschrieben. Aber es bestehen ja einige Unklarheiten.
Warum wurde im Säuglingsalter ein Schweißtest vorgenommen?
Die Konsequenz einer Komplettsequenzierung aufgrund der pathologischen Schweißteste und des OAT-Syndroms sind nachvollziehbar.
Natürlich könnte die Diagnostik noch mit einer elektrophysiologischen Untersuchung komplettiert werden: Ussingkammer: ICM (Kurzschluss-strommessung), oder auch eine Messung der nasalen Potentialdifferenz, solche Untersuchungen können an speziellen Zentren (z. B. an der Medizinischen Hochschule Hannover/ Prof. Tümmler) durchgeführt werden und weitere Klarheit bringen, da sie die Funktion des CFTR-Chloridkanals direkt testen.


Anhand der vorliegenden Befunde und der beschriebenen Klinik kann typische CF nicht angenommen werden. Schweißtestbefunde und OAT-Syndrom könnten jedoch zu einer atypischen CF bzw. einer CFTR-assoziierten Erkrankung passen. Ungewöhnlicherweise ist die genetische Komplettsequenzierung unauffällig; meistens wird bei einer CFTR-assoziierten Erkrankung auf einem Chromosom eine typische CF-Mutation gefunden, auf dem anderen eine "milde" Mutation, die für die CFTR-assoziierte Erkrankung verantwortlich ist. Möglicherweise findet man auch in solchen Fällen nur eine Mutation, da die zweite evtl. noch gar nicht bekannt ist.
Da aber nun keine Mutation gefunden worden ist, wäre eine weitere, sehr seltene aber mögliche Konstellation, dass nicht ein defekter CFTR-Kanal für die pathologischen Schweißteste verantwortlich ist, sonder andere Elektrolyt-Kanäle, wie z.B. Natrium-Kanäle; solche Berichte finden sich in der Literatur, aber das kann man dann nicht so einfach diagnostizieren.

Das thorakale HRCT und die Lungenfunktion sind vollkommen in Ordnung. Ich nehme auch an, der BMI ist zufriedenstellend und die Leberfunktion ist in Ordnung. Wurde die Pankreas-Funktion (Stuhlelastase) untersucht?
Jährliche Verlaufskontrollen in einem CF-Zentrum mit Lungenfunktion, Bildgebung und mikrobiologischen Kontrollen stellen eine verlässliche und ausreichende Überwachungsmöglichkeit dar. Da man diese Kontrollen empfehlen würde, und bei Vorliegen von Lungensymptomen eine symptomatische Therapie wie bei einer echten CF auch beginnen würde (sollten sich Symptome entwickeln), ist natürlich letztlich nicht entscheidend, ob man die Diagnose CF/CFTR-assoziierte Erkrankung zweifelsfrei stellen kann. Klinisch scheint ja keine schwere Form der CF vorzuliegen, so dass die bekannten prognostischen Hinweise für eine CF in dem vorliegenden Fall nicht zutreffen dürften.

Wir hoffen, Ihnen mit der Antwort geholfen zu haben,
Beste Grüße
Frauke Stanke, H.-E. Heuer und D. d'Alquen
02.07.2021
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Frauke Stanke