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Kaftrio: Auswirkungen auf die Psyche

Frage
Guten Tag,

Was weiß man inzwischen über Kaftrio-Nebenwirkungen auf die Psyche der Patienten? In Selbsthilfekreisen gibt's diesbezüglich zahlreiche Klagen, die von Verschlimmerung depressiver Symptome oder gar Stimmen im Kopf sprechen. Was sind die Empfehlungen in solchen Fällen? Vielerorts haben Patienten das Gefühl, nicht ernst genommen oder mit dem Problem alleingelassen zu werden.

In Foren findet man außerdem den Hinweis darauf, dass Kaftrio ein "Magnesiumkiller" sei. Im Beipackzettel findet man dazu nicht. Was ist dran an dieser Aussage?
Antwort
Sehr geehrter Ratsuchender,
zuerst zu Kaftrio als „Magnesiumkiller“: es gibt keine Daten, die eine solche Wirkung belegen oder den Mechanismus einer solchen Wirkung darlegen können, daher kann man dazu auf wissenschaftlicher Basis nichts sagen.
Wir wollen versuchen, die Sachlage bezüglich psychischer Nebenwirkungen von Kaftrio darzustellen, dazu war eine Literaturrecherche und auch die Abfrage der Studiendaten über die herstellende Firma Vertex notwendig.
Seit 10/2019 wird Kaftrio in den USA, seit 08/2020 in Europa eingesetzt.
Man kann sich nun Daten aus verschiedenen Studien ansehen.
1.) Studie VX17-445-102: eine Phase 3 Studie mit Daten über 24 Wochen (6 Monate), hier wurden Patienten älter als 12 Jahre mit F508del und einer Minimalfunktionsmutation untersucht und gegen eine Placebogruppe verglichen. Angst als Nebenwirkung trat bei 1,5% der Patienten in der 3fach-Kombinationsgruppe auf und bei 0,5% der Patienten in der Plazebogruppe. Depressionen traten bei 0,5% der Patienten in der 3-Fach-Kombinationsgruppe auf, und bei 1% der Patienten in der Plazebogruppe. Wahnvorstellungen oder Halluzinationen wurden nicht berichtet.
2.) Studie VX18-445-104: eine Phase 3 Studie, allerdings nur über 8 Wochen, für Patienten mit CF über 12 Jahre mit F508del und einer Restfunktionsmutation oder Gatingmutation. Diese erhielten die Triple-Kombination und wurden mit einer Gruppe von Patienten verglichen, die Ivacaftor/Tezacaftor (Symkevi) oder nur Ivacaftor (Kalydeco) erhielt. Angst trat bei 0,8% der Patienten unter Tripletherapie und bei 2,4% der Patienten unter Symkevi oder Kalydeco auf. Depressionen, Wahn, Halluzinationen wurden in der Tripletherapiegruppe nicht berichtet. Am Ende der Studie konnten die Patienten weiter über 96 Wochen (fast 2 Jahre) teilnehmen und bekamen dann alle die Triple-Therapie. Hier wurde Angst bei 11% der Patienten berichtet, 0,8% (2 Patienten von 251) mussten deshalb die Therapie beenden.
3.) Studie VX18-445-106: hier wurden über 24 Wochen Kinder zwischen 6-11 Jahren (homozygot für F508del oder F508del plus Minimalfunktionsmutation) beobachtet, die die Triple-Therapie erhielten. Depressive Stimmung wurde in 3% der Patienten berichtet, Depression, Wahn und Halluzinationen wurden nicht berichtet.
Während also diese Daten z.T. nur wenig Auswirkungen des Medikaments auf Depression oder Angst zeigen konnten (abgesehen von den 11% mit Angst in der Langzeitbeobachtung), mehren sich die Fallbeschreibungen und post-marketing reports, die einen klinischen Zusammenhang zeigen, so auch die geschilderten Fälle von Arslan et al. 2023 im Journal of Cystic Fibrosis („Suicide attempts in adolescents with cystic fibrosis on E/T/I therapy“). Nun ist es bei CF besonders schwierig festzustellen, welche psychischen Nebenwirkungen durch das Medikament verursacht werden, und welche durch die Krankheit selbst, da Angst und Depression 2-3 x häufiger bei CF Patienten als in der Normalbevölkerung sind. Zudem kommt die Corona-Pandemie, die zeitgleich mit dem Beginn des Einsatzes der Medikamente begann, als Trigger solcher psychischen Symptome in Betracht, was ja auch in der Gesamtbevölkerung zu einer Zunahme der o.g. Symptome geführt hat. Auf der anderen Seite zeigen die in dem o.g. Artikel erwähnten Beispiele, dass das Absetzen oder Reduzieren der Medikation eine Besserung der Symptome zur Folge hatte, somit der Zusammenhang mit der Medikation nicht von der Hand zu weisen ist. So gibt es in der Literatur einige Fallserien, die solche Nebenwirkungen berichten, so z.B. eine mit 6 CF-Patienten (Heo S. et. al., 2022 im JCystFibr), die innerhalb von 1-8 Monaten nach Beginn der Kaftrio-Therapie Depressionen entwickelt haben, davon mussten 2 die Therapie dauerhaft beenden, die anderen blieben trotz der Symptome bei der Therapie.
Da die Modulatoren die Blut-Hirn-Schranke passieren können, ist es natürlich auch wissenschaftlich nicht auszuschließen, dass sie mentale Nebenwirkungen auslösen könnten. Wie soll man also nun auf solche Nebenwirkungen reagieren?
Zuerst einmal sollte man den Zusammenhang der Symptome mit der Therapie untermauern, das lässt sich natürlich nur „beweisen“, wenn man durch Dosisreduktion oder Absetzen die Symptomatik verbessert oder diese sogar ganz verschwindet, und nach „Wiederansetzen“ sich die Symptomatik reproduzieren lässt. Je nach klinischem Zustand der Lunge, ist das sicher keine einfache Entscheidung und sollte zusammen mit dem Patienten und dem Team des CF-Zentrums erfolgen. Falls man dann einen Zusammenhang feststellen kann, bleiben verschiedene Möglichkeiten, die auch in der Literatur bei betroffenen Patienten beschrieben sind: einige werden erfolgreich mit Anti-Depressiva und Psychotherapie behandelt und können/wollen weiter den Modulator nehmen, andere profitieren von einer Dosisreduktion, aber leider mussten auch einige Patienten definitiv die Modulator-Therapie beenden.
Somit ist die wichtigste Message: offene Kommunikation mit den behandelnden Ärzten, es muss der Zusammenhang mit der Medikation ernst genommen und untersucht werden, dies geht nur mit dem Patienten zusammen, da die Entscheidung: absetzen, reduzieren oder belassen der Therapie immer eine ganz individuelle ist und abhängt vom klinischen Zustand, aber auch persönlichen Empfindungen.
Ich hoffe, Ihnen mit der Antwort geholfen zu haben,
MfG Daniela d‘Alquen
21.04.2023
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Daniela d'Alquen