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Verdachtsdiagnose CF ohne Beteiligung der Lunge

Frage
Liebe ExpertInnen,
ich befinde mich auf der Suche nach der Bestätigung ob bei mir CF vorliegt oder nicht. Leider komme ich nur sehr schleppend weiter und würde mich freuen, Ihre Einschätzung zu meinem Fall zu hören.
Bei mir wurde letztes Jahr (weiblich, 36 Jahre) eine exokrine Pankreasinsuffizienz diagnostiziert. Bei mir liegen jedoch keine Auslöser vor, wie sie allgemein bekannt sind: Ich konsumiere weder Noxen wie Drogen oder Alkohol, und habe keine Viruserkrankung, die die Pankreas geschwächt hätte, daher frage ich mich, woher die Insuffizienz stammt. Zusätzlich ist mir dies besonders wichtig, da wir einen Kinderwunsch haben und natürlich die Versorgung von Mutter und Kind während der Schwangerschaft gewährleistet sein muss.
Leider konnten mir die Ärzte hier vor Ort (Spanien – Balearen) nicht viel weiterhelfen. Meine Symptome: Untergewicht und Gelbsucht als Säugling und später nur knapp am Normalgewicht, Pankreas-Elastase-1 im Stuhl (letzte Messung im Juni 2024: 93,4µg/g).
Erstaunlich ist, dass bei meiner Mutter auch eine exokrine Pankreasinsuffizienz festgestellt wurde. Bisher wurden bei meiner Mutter nur Blutwerte gemessen, die soweit in Ordnung waren, obwohl sie seit sehr vielen Jahren über Verdauungsprobleme klagt. Erst nach meiner Diagnose, hat ihr Hausarzt eine Stuhlanalyse angeordnet, welche bei ihr sowie bei mir, den Verdacht auf exokrine Pankreasinsuffizienz bestätigt hat. Seither bekommt meine Mutter Pankreasenzyme und kann ihre Nase wieder schneuzen, was sie viele Jahre nicht konnte, da sich wohl kein Schleim gebildet/gelöst hat. Auch ich kenne ein Druckgefühl an den Nasennebenhöhlen, alle Untersuchungen waren aber immer unauffällig.
Da bisher keine Ursache für meine Diagnose gefunden werden konnte, habe ich mich beim Pneumologen vorgestellt, um die Verdachtsdiagnose CF nachzuprüfen. Meine Lunge ist ebenso wie die Nasennebenhöhlen per Untersuchung unauffällig, erster Schweißtest mit 52 mmol/l zwar im Graubereich, jedoch recht hoch. Bei der Wiederholung ging die Auswertungsmaschine kaputt. Der behandelnde Arzt veranlasste zur Sicherheit eine humangenetische Untersuchung, welche negativ ausfiel. Es wurden allerdings nur die 60 häufigsten CF Genmutationen der iberischen Halbinsel untersucht.
Meine Fragen an Sie:
Kann ich davon ausgehen, dass diese 60 Mutationen der iberischen Halbinsel mit den häufigsten Mutationen in Deutschland übereinstimmen oder sind diese pro Land sehr verschieden (meine Vorfahren kommen aus Süddeutschland/Elsass/Südtirol)?
Kennen Sie CF Mutationen, die KEINE Auswirkungen auf die Lunge haben?
Ich hätte die Möglichkeit, mich in Bremen oder in Palma an eine Spezialklinik zu wenden, würde aber gerne zuvor von Ihnen wissen, was konkret ich am besten fragen soll.
Können Sie mir weiterhelfen?
Antwort
Liebe Ratsuchende,
bei Ihnen wurde eine Pankreasinsuffizienz festgestellt - dazu ist zu sagen, dass zunächst auch wichtig ist, ob der Test korrekt durchgeführt wurde: Stuhl nicht älter als 24 Stunden, gekühlt aufbewahrt bis zur Untersuchung, am besten dann (wie bei uns im Zentrum) direkt Untersuchung vor Ort, Vermeidung langer Postwege durch Verschickung ins Labor, da hohe Außentemperaturen die Elastase zerstören. Eine gleichzeitige Enzymeinnahme (z.B. Kreon) verfälscht das Ergebnis jedoch nicht.
Da Sie aber von Untergewicht sprechen und Ihre Mutter auch eine Pankreasinsuffizienz hat, wird das Ergebnis wohl verlässlich sein.
Bei Pakreasinsuffizienz gibt es zwei Möglichkeiten:
1. CF bzw. CFTR-Gen bedingt und 2. nicht CFTR-Gen bedingt

zu 1.: Bei jeder Pankreasinsuffzienz gehört ein Schweißtest gemacht und zwar mittels Pilocarpin-Ionotophorese an einem zertifizierten Zentrum, Leitfähigkeitsmessungen wie sie in der Praxis üblich sind, sind nicht verlässlich. Sollte der Schweißtest so durchgeführt worden sein, gilt: größer 60 mmol/l Chloridkonzentration ist pathologisch, 30-60 mmol/l Borderline und unter 30 mmol/l ist normal. Ihr Test wäre dann im oberen Borderline-Bereich - so ein Test muss genetisch weiter abgeklärt werden; oft bestimmt man die häufigsten 30-60 CFTR Mutationen in der Bevölkerung; in der Regel spielt es eine Rolle, ob man kaukasischer Abstammung ist, welches Panel ausgewählt wird; ich denke, es sollte sich auf der iberischen Halbinsel nicht deutlich unterscheiden, aber eine Unterscheidung ist möglich. Das sollte aber in Ihrem Fall keine Rolle spielen, da sich nun eine Komplett-Sequenzierung des CFTR-Gens anschließen muss, um seltene Mutation mit zu erfassen, dabei spielt dann die Herkunft keine Rolle mehr. Solche genetischen Komplett-Sequenzierungen haben eine Sicherheit von mehr als 98%. Sollte dabei wieder keine Mutation gefunden werden, ist das CFTR-Gen als Ursache unwahrscheinlich, zumal keine Lungenbeteiligung vorliegt - es bliebe aber der Borderline Schweißtestwert, daher sollten alle Ursachen, die Borderline-Schweißtestwerte verursachen können, ausgeschlossen werden, z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Zöliakie.
Generell gibt es ja CF Formen mit und ohne Pankreasinsuffizienz. Die mit Pankreasinsuffizienz sind die "schweren" Formen, die mit pathologischen Schweißtestwerten und Lungenbeteiligung einhergehen. Der umgekehrte Fall, Pankreasinsuffizienz ohne pathologischen Schweißtest und ohne Lungenbeteiligung ist sehr unwahrscheinlich.
Jedoch gibt es immer auch Grenzfälle, sog. CFTR-assoziierte Erkrankungen. Dabei findet man in der Regel mindestens 1 Mutation in der Sequenzierung, oder 2 Mutationen, von denen eine eine ganz milde Mutation ist oder eine, von der man noch nicht weiß, ob sie krankheitsverursachend ist. (Der klassische CF Patient muss ja zwei krankheitsverursachende Mutationen haben, um zu erkranken, wer nur eine Mutation hat, ist in der Regel ein gesunder Träger, wie 6% der Bevölkerung, es sei denn, die zweite Mutation ist nicht zu finden, weil noch nicht bekannt). Patienten mit CFTR-assoziierter Erkrankung haben i.d.R. Borderline-Schweißtestwerte und Pankreatitiden (also Entzündungen der Bauchspeicheldrüse), Bronchieektasen, HNO-Probleme, Männer sind infertil (Frauen aber nicht); eine echte Pankreasinsuffizienz wäre allerdings auch nicht typisch.
Daher ist eine komplette Sequenzierung des CFTR Gens wichtig, um zu entscheiden, ob bei Ihnen das CFTR-Gen in Zusammenhang mit der Pankreasinsuffizienz stehen kann oder eben nicht. Wenn die genetische Untersuchung keine Klarheit bringt, kann man in Berlin, Heidelberg und Hannover den CFTR-Chloridkanal funktionell (mittels Nasenpotentialdifferenz (NPD)-Untersuchung) abklären lassen, ob funktionell Hinweise für eine CF bestehen.
Sollte sich die "CF-Schiene" in Luft auflösen wären wir bei
2.)Nicht-CFTR-Bedingte Pankreasinsuffizienz
Ist die Pankreasinsuffizienz nicht mit dem CFTR-Gen in Zusammenhang zu bringen, gibt es eine Reihe weiterer, bekannter Gene, die eine Pankreasinsuffizienz verursachen können, auf die dann untersucht werden sollte; da Ihre Mutter auch betroffen ist, ist eine genetische Ursache ja wahrscheinlich. Sollte dieses genetische Untersuchung auch kein Ergebnis bringen, liegt eine Pankreasinsuffizienz unklarer Ursache vor, und das kommt in der Realität doch häufiger vor. Wahrscheinlich kennt man noch nicht alle Gene, die soetwas mitverursachen können und daher bleibt die Diagnose im Dunkeln, wenn es keinen nicht-genetischen Grund für die Insuffizienz gibt (Alkohol, Viren...).
Bei Kinderwunsch sollten Sie sich nach Vorliegen aller Ihrer genetischen Ergebnisse beim Humangenetiker beraten lassen, inwiefern auch die Untersuchung Ihres Partners notwendig sein sollte.
Weiterhin ist die Frage, wie sicher bei Ihnen keine "Lungenbeteiligung" besteht - haben Sie keine Symptome, war die Lungenfunktion unauffällig? Sollten irgendwelche Zweifel bestehen, wäre ein Lungen-CT auch eine Option, da sieht man auch kleine Veränderungen und Bronchieektasen, die im Röntgenbild nicht zu sehen sind - das wäre mit Ihrem Pneumologen und nach Vorliegen der genetischen Befunde noch zu diskutieren.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela d'Alquen
10.08.2024
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. Daniela d'Alquen