Bitte beachten Sie: Manche Informationen sind nach einem Jahr noch aktuell, andere schon nach drei Monaten veraltet. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie gern nachfragen.

Dauerantibiose

Frage
Liebes Expertenteam,
unsere Tochter ist 16 Monate alt und hat Cf. Bisher hatten wir nur Probleme mit dem Darm, nicht mit der Lunge. Keine Keimbesiedelung, kein Husten oder erhöhte Infektanfälligkeit.
In unserer Stadt gibt es 2 Cf Ambulanzen. Wir werden in einer davon betreut, die nie etwas von Dauerantibiose erwähnt haben.
Wir wollten uns die 2. Ambulanz ansehen und haben unsere Tochter dort vorgestellt. Die meinten sie würden allen Patienten eine Dauerantibiose empfehlen.
Was halten sie von einer Dauerantibiose?
Viele Grüße
Antwort
Hallo,

aus der Vergangenheit ist mir bekannt, dass in München an dem Mukoviszidose-Zentrum des von Haunerschen Kinderspitals bei allen CF-Patienten eine Dauerantibiose vom Tag der Diagnose an durchgeführt wurde. Soweit ich weiß, ist dies jetzt nicht mehr der Fall.

Die Ergebnisse internationaler Studien bei CF-Patienten weisen keinen Vorteil für die Patienten auf, die eine Dauerantibiose erhalten haben im Vergleich zu denen einer infektorientierten Therapie. Es wurde sogar gezeigt, dass die Patienten unter einer Dauertherapie eher eine Besiedlung der Lunge mit dem Problemkeim Pseudomonas aeruginosa aufweisen.

Bei so kleinen Kindern wie Ihrer Tochter wird daher meist auf akute Infektzeichen reagiert. Manche Zentren behandeln auch ohne Infektzeichen, wenn z.B. Staph. aureus oder H. influenza als Keim routinemäßig im Rachenabstrich oder Sputum nachgewiesen wurden. Wichtig ist, dass jeder Infekt möglichst rasch und effektiv, d.h. mit dem richtigen Antibkiotikum behandelt wird. Bei engmaschigen Kontrollen Ihres Kindes durch Ihr Zentrum ist daher in der Regel eine Dauerantibiose nicht notwendig oder sinnvoll.

Sie sollten mit Ihrem Zentrum besprechen, auf welche Therapieschiene Sie sich einigen wollen, damit dann in der Zukunft eine vertrauensvolle Betreuung Ihres Kindes sicher gestellt ist.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. H.-G. Posselt
16.04.2009
Die Antwort wurde erstellt von: Dr. H.-G. Posselt
06.07.2009:

Hallo,
Der Zentrumsleiter der von Ihnen angesprochenen Ambulanz, den wir auch um einen Kommentar und einen Antwort gebeten hatten, hat nun inzwischen auch geantwortet und er hat uns seine Sicht der Dinge mitgeteilt, die wir hier natürlich auch veröffentlichen, da uns daran gelegen ist, die Situation so darzustellen wie sie ist: nicht immer gibt es eindeutige Ergebnisse, auf die man seinen jeweilige Entscheidung gründen kann.
er schreibt:

"Liebe Eltern,

die Behandlung von Patienten mit Mukoviszidose beruht auf einem Gesamtkonzept, welches zum überwiegenden Teil aus Erfahrung an vorangehenden Generationen von individuellen Patienten und z. T. aus den Forschungsergebnissen an Patientengruppen entwickelt wurde. Die vielen therapeutischen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, werden zu einem individuellen Behandlungsplan zusammengestellt, der das jeweilige Lebensalter, die Lebensumstände und absehbare Konsequenzen sowie berechenbare Ereignisse mit einbezieht. Viele Einzelbestandteile dieses Behandlungsplans ergänzen und bedienen sich gegenseitig; die Eltern und im weiteren Verlauf auch das Kind, der Jugendliche und der erwachsene Patient erlernen Hintergründe und Notwendigkeiten von Therapiemaßnahmen zu verstehen und auch nachzuvollziehen. Aus diesem Grund darf eine einzelne therapeutische Maßnahme nicht für sich allein gesehen werden, sondern es geht darum, die verfügbaren therapeutischen Möglichkeiten so geschickt einzusetzen, dass sie im Einzelfall den größten Nutzen bringen.

In der Christiane-Herzog-Ambulanz der LMU München empfehlen wir allen Patienten mit Mukoviszidose eine dauerhafte antibiotische Therapie. Wir wissen, dass dieses Vorgehen in vieler Hinsicht klare Vorteile mit sich bringt (zB keine Staphylokkoken in den Atemwegen, weniger Nebenwirkungen bei „gewohnter“ Therapie) und mögliche Nachteile wie die erwähnte, jedoch nicht sicher belegte Sorge vermehrter Infektionen mit Pseudomonas (vgl. hierzu z.B. Cochrane Review www.cochrane.org/reviews/en/ab001912.html), sowie andere befürchtete negative Auswirkungen, die weitgehend vermieden werden. Daher kann diese Behandlungsform ohne begründete Sorge lange Zeit eingesetzt werden. Die Empfehlungen der britischen CF-Gesellschaft sehen übrigens eine kontinuierliche antibiotische Therapie bei Mukoviszidose mindestens während der ersten 2 bis 3 Lebensjahre vor (www.cftrust.org.uk/aboutcf/publications/consensusdoc/C_3200Antibiotic_Treatment.pdf). Ferner zeigt eine neue Arbeit aus diesem Zenrum von Kindern unter 6 Jahren, dass das Ausmaß der Entzündungsreaktion in der Lunge proportional zur Staphylokkokeninfektion ist.
Auch wenn diese „Antibiotika-Frage“ immer wieder Kontroversen auslöst, so zeigt eine Zuspitzung auf diesen Punkt, dass wesentliche Aspekte der CF-Versorgung noch nicht vermittelt oder verstanden wurden.

Selbstverständlich ist es so, dass es im individuellen Fall gute Gründe gibt von einer dauerhaften antibiotischen Therapie abzuweichen; dies wird mit den Eltern und Patienten in ausführlichen Gesprächen erläutert und dann in ein klares Gesamtkonzept gestellt.

Wie sie sehen, kann auf diese Frage keine monotone ja/nein Antwort gegeben werden, sondern es muss zusammen mit dem einzelnen Patienten stetig versucht werden, die Behandlung zu verbessern. Wir haben erlebt, dass ein solches Vorgehen die Lebenserwartung und Lebensqualität immer weiter zu steigern vermag.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. med. M. Griese"

Damit keine Missverständnisse entstehen: es gibt keinen Zweifel, dass wir alle uns um stetige Verbesserung bemühen müssen, aber derzeit gibt es keine Daten, dass die verbesserte Lbenserwartung von CF-Patienten, die in den letzten Jahrzehnten erreicht werden konnte, auf die eine oder andere Sichtweise in Hinsicht auf eine "Dauerantibiose" zurück zu führen sein könnte.

Was ist nun richtig? Was sollen Sie als besorgte Eltern in solch einer Situation tun? Wenn Sie mit dem Gesamtkonzept in der Ihnen vetrauten Einrichtung zufrieden sind - oder auch nicht - die Frage des Umgangs mit Dauerantibiose sollte nicht darüber entscheiden, wo Sie hingehen - da scheint es wichtigere Faktoren zu geben. Weil das so ist, kommen unterschiedliche Gruppen von Spezialisten (UK, USA, Deutschland) eben auch zu unterschiedlichen Zusammenfassungen.
Mit freundlichem Gruß
Prof. Dr. TOF Wagner